Pfarrerin Beatrix Konukiewitz
Selig sind die, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen, sagt Jesus in der Bergpredigt., Momente, wo sie sich selig fühlen, davon haben die KonfirmandInnen gesprochen. Mir klingt dazu noch die Liedzeile von eben in den Ohren „Ich glaube an die Liebe, die einigt, was uns trennt“. Sie spricht mir aus der Seele, sie berührt mein Herz. Ich bin nämlich immer noch aus tiefstem Herzen davon überzeugt, dass ein Frieden möglich ist. Ein Frieden, der uns glücklich macht, weil wir einander achten und schätzen, auf Gemeinsamkeiten schauen und nicht das Trennende in den Mittelpunkt stellen. Ein Frieden, in dem alle das haben, was sie brauchen, jeder leben kann, wo und wie es sich für ihn und andere gut anfühlt. Wo niemand Machtinteressen durchsetzt, sondern alle sich umeinander sorgen und miteinander teilen. Ein himmlischer Zustand.
Meine Güte, ganz schön naiv, diese Träumereien! Ja, ja, der Himmel auf Erden, das Paradies. Klar. Schau dich doch mal um, Beatrix, höre ich …wo geht es schon tatsächlich friedlich zu? Da wird sich absolut nichts gegönnt. Weder im Kleinen noch im Großen. Das fängt doch schon im Kinderzimmer an und endet, ja, wo soll denn das alles bloß noch enden?
Jesus sieht hin, nimmt wahr, spricht in seinen berühmten Seligpreisungen der Bergpredigt Lebenssituationen aus seinem Umfeld deutlich an, die zu Unfrieden führen, soziale Ungerechtigkeiten, persönliche Schwierigkeiten. Und macht Mut, sich der Situation zu stellen. Selig sind…, sagt er nämlich. Ein besonderes Wort, dieses „selig“, paradiesisch, göttlich vielleicht sogar? Wurde doch das griechische Wort für selig, „makarioi“ ursprünglich nur im göttlichen Zusammenhang gebraucht. Mit einem Funken Gottes im Herzen kann ich mich der Situation stellen und alles daransetzen, alles dafür tun, dass sich die Lebenssituation zum Frieden wendet.
Frieden hier auf der Erde mit unseren so vielfältigen, bunten Persönlichkeiten, in unseren Kulturen, unterschiedlichen Interessen, geschieht sicherlich nicht einfach so. Wir müssen uns schon um Frieden bemühen. Hinschauen, vermitteln, füreinander im Miteinander daran arbeiten.
Nicht für sich selbst, um im Mittelpunkt zu stehen. Um groß da zu stehen. Um Recht zu haben. Um der oder die Beste zu sein, sondern um des Friedens willen, wie Jesus ihn lebt. Ein Frieden, in dem Jeder und Jede zu seinem und ihrem Recht kommt und in Würde lebt. Nur so verbreitet sich der Friede, wird Gottes Funke weitergetragen.
Ich erlebe in meinem Alltag, dass dem so vieles entgegen steht, Neid, Streit, Egoismus. Ich frage mich, wie es möglich ist, dass Menschen einander so sehr verletzen können. Manchmal fehlen mir einfach die Worte. In alten Zeiten war der Ausdruck „die finstern Mächte“ geläufig, an gotischen Kathedralen finden wir hässliche Fratzen aus Stein gehauen, die das Böse abwehren, vor Augen habe ich die Drachenköpfe an der Kathedrale Notre- Dame. Es ist also von alters her bewusst, wie zerbrechlich Frieden ist, wie bedroht das Zusammenleben und wie stark dennoch unsere Hoffnung auf Frieden ist. Ich bin immer noch überzeugt, dass Frieden möglich ist. Wenn die Macht der Liebe die Liebe zur Macht überwindet, wird es Frieden geben, soll Jimi Hendrix gesagt haben. Oder mit anderen Worten: Es öffnet sich der Horizont, wenn Glaube, Liebe, Hoffnung bei uns einzieht. Weil der Himmel bei uns wohnt.
Lied „Wenn Glaube bei uns einzieht“
Pfarrer Lars Löwensen
Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.
Da höre ich doch gleich noch mit: Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Bösen, sondern: wenn dich eine Person auf deine rechte Backe schlägt, dem biete ihr die andere auch dar.
Auch auf die Gefahr mich jetzt unbeliebt zu machen. Aber ich stelle mal die provokante Frage: Ist das nicht unglaublich einfältig, weltfremd und naiv?
Gerade vor ein paar Wochen hatte ich genau darüber eine Diskussion. Der Tenor meines Gegenübers war: Das macht doch niemand. Wenn mich jemand schlägt, dann würde ich mich doch wehren. Ich lasse mich doch nicht verprügeln. Das kann Jesus doch nicht gemeint haben. – Hat er da nicht recht?
Er sagte: „Und wenn man das vielleicht im Kleinen so machen kann. Spätestens auf der Gesellschaftsebene oder auf Staatenebene kann so etwas nicht funktionieren. Ich kann doch dem Aggressor nicht einfach freien Lauf lassen. Unrecht muss doch bestraft werden. Denn das ist doch so mit der Toleranz. Wenn wir auch noch den Intoleranten gegenüber tolerant sind, dann wird die Toleranz am Ende abgeschafft. Denn die Intoleranten übernehmen dann die Macht und dann ist Schluss mit der Toleranz.“
Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt…
Für viele ein Aufruf zur konsequenten Friedfertigkeit, zum konsequenten Pazifismus. Niemand wehrt sich mehr. Wir stecken die Schläge ein, um unser Gegenüber von seinem falschen Weg abzubringen.
Ganz ehrlich, da lacht sich unser Gegenüber doch ins Fäustchen. Einfacher könnte er es doch nicht haben.
Hat Jesus das wirklich gemeint?
Beim rechte Backe, linke Backe geht es nach der Meinung der meisten Menschen, die die Bibel professionell auslegen, auch nicht um eine gesamtgesellschaftliche Formel. Hier wird kein Staat zum „Gewaltverzicht“ aufgefordert. Vielmehr geht es um persönliche Rechtsstreitigkeiten. Als rechtshändige Person kann man anatomisch nur mit dem Handrücken dem Gegenüber auf die rechte Backe schlagen. Das galt zur damaligen Zeit als besonders ehrrührig und demütigend. Schnell hätte es in einer hitzigen Auseinandersetzung zu einer Eskalation der Gewalt kommen können. Aber Jesus unterbricht mit seiner Aufforderung diese mögliche Spirale. Und er zeigt, ich behalte meine Ehre und meine Würde, indem ich selbst handelnd bleibe, ohne zur Gegengewalt zu greifen. Und durch die überraschende Pause, die nun entsteht, kann das gegenüber sein Handeln überdenken und kommt vielleicht zur Vernunft.
Doch das setzt voraus, dass wir ein vernünftiges Gegenüber haben. Sollte das nicht der Fall sein, dann hilft nur noch ein gut funktionierender Rechtsstaat, der seine Bürgerinnen und Bürger vor den Übergriffen von sadistischen, psychopathischen oder sonst wie aus der Spur gelaufenen Menschen schützt. Denn bei aller Feindesliebe, die Jesus auch predigt, muss „den Nächsten und die Nächste lieben…“ doch auch heißen, ihn oder sie vor der Willkür und den Übergriffen anderer Menschen zu schützen. Alles andere wäre zynisch und menschenverachtend.
Doch auch für den Staat ist es gut, dass es Christinnen und Christen gibt. Denn die wissen davon, dass wir mehr von der Versöhnung leben, dass Frieden stiften unser Auftrag ist. Und das kann eben auch mal heißen, nicht blind auf das eigene Recht zu pochen, sondern um der Versöhnung und des Friedens willen auf sein Recht und damit auf eine weitere Eskalation der Gewalt zu verzichten.
Doch es bleibt ein schwerer Weg und nicht alle wollen ihn anscheinend mitgehen. So können wir letztlich nur immer wieder bitten: Gib Frieden, Herr, gib Frieden.
Lied EG 430,1-4 „Gib Frieden, Herr, gib Frieden“
Pfarrer Markus Löwe
„… und jedem Freude gönnten, wie feind er uns auch sei.“ Die Gedanken des Liedes klingen nach. Die Spannung und die Gegensätze zwischen naiv und realistisch - mit Blick auf den gewünschten Frieden – sie sind wieder da. Und die Spannung zwischen diesen beiden Polen ist auch mir wohlvertraut. Frieden stiften, freundlich sein, die Position der anderen oder des anderen verstehen. Und natürlich nachgeben um des lieben Friedens willen. Wie häufig habe ich selbst dabei schon gedacht und empfunden: Jetzt reicht es! Mir wird es zu viel. Du hast jetzt schon so häufig nachgegeben. Jetzt muss auch mal die andere Seite einen Schritt auf dich zu machen.
An diesem unversöhnlichen und friedlosen Punkt hilft mir die 3. Strophe des Liedes mit ihrem Blick, der mich für Gott öffnet. „Du selbst bist, was uns fehlt.“ Gott selbst fehlte bisher in meinen Gedanken. Menschen verändern ihr Verhalten, wenn sie sich verantwortlich wissen für ihr Verhalten und ihre Taten. Sie leben anders, wenn sie sich als Geschöpf Gottes verstehen. Der Gott der Liebe und des Friedens ist nämlich derjenige, der sich auf unser Leben ganz eingelassen hat.
Im Lied heißt es so: „Du hast für uns gelitten, hast unsern Streit erwählt, damit wir leben könnten.“ Aus der Verantwortung vor Gott nehmen wir die Welt und den Mitmenschen anders wahr. Die Nächste, den Nächsten und mich selbst sehen wir als ein geliebtes Geschöpf mit vielen guten Möglichkeiten. In der Verantwortung vor Gott sehen wir aber auch sehr klar, welche schwierigen Seiten und negativen Möglichkeiten wir Menschen haben. Beides gehört zu uns Menschen.
Mit dieser Ambivalenz, mit diesen beiden gegensätzlichen Möglichkeiten zu leben, ist Aufgabe und Anspruch eines Lebens in Verantwortung vor Gott. Selig sind die Frieden stiften … ich denke, dass Jesus die Menschen damals und uns heute mit diesen Sätzen herausfordern wollte und will. Wir sollen schon jetzt mit ganzem Herzen auf das setzen, was er als das Reich Gottes beschreibt. Schon jetzt die Sehnsucht nach einem Leben zu spüren, das nicht mehr bedroht ist von der Macht des Bösen und der Aggression. Und noch mehr. Die Sehnsucht danach über diesen Zustand des Unfriedens hinauskommen zu können und das Reich Gottes mitten unter uns zu spüren. Häufig ist an dieser Stelle unser erster Impuls: Da müssen wir doch etwas machen, tun und aktiv werden, aber der einzige, der uns wirklich helfen kann, ist der Schöpfer selbst. Gott, wie er sich in Jesus Christus gezeigt hat, ist der Friede an sich. Friede ist hier umfassend gemeint. Es ist weniger die Abwesenheit von Krieg und Streit, sondern vielmehr ein Zustand, der weit über einen Waffenstillstand hinausführt. Es ist ein aktiver Zustand des Friedens. Dieser Friede braucht nicht den Krieg vorher, sondern kommt den Auseinandersetzungen zuvor.
Aber ist das jetzt nicht wieder zu idealistisch, zu naiv gedacht? Ja, vielleicht ist es das, weil das Reich Gottes kein Dauerzustand unter irdischen Bedingungen ist. Wir brauchen Vereinbarungen und Gesetze zwischen Menschen und zwischen Staaten, um Leben zu schützen und zu ermöglichen. Ich verstehe es so, dass Jesus uns herausfordert als Individuen mehr zu wagen, mehr zu hoffen und mehr zu lieben.
Frieden zu wagen und sich dafür einzusetzen ist eine Form zum Kind Gottes zu werden.
Es gibt Momente, in denen das schon aufblitzt oder aufscheint. Als ich Anfang Juni das erste Mal wieder mich mit meinen Konfi-Gruppen präsent treffen konnte, war dies für mich ein solcher Moment. Wie lange hatten wir uns nur online gesehen. Im Stuhlkreis vor der Alexanderkirche auf der Rasenfläche den direkten Austausch über das Thema Frieden zu pflegen und die warmen Strahlen der Sonne zu spüren … für mich war es ein seliger Moment.
Oder als wir Ende September das erste Mal wieder Abendmahl feiern konnten – mit den neuen Einzelkelchen - war auch dies ein solcher Moment. Das Brot des Lebens für dich. Der Kelch des Heils für dich. So häufig habe ich diese Worte gehört und zugesprochen. Aber jetzt hatten sie etwas ganz Neues. „Wenn wir das Brot des Lebens teilen in Jesu Namen“, heißt es im nächsten Lied, „dann ist der Geist des Friedens unter uns.“
Amen
Es gilt das gesprochene Wort.