Morgenandacht
Gott hat ein Herz für die Verlierer
16.06.2015 06:35

Überall gibt es etwas zu gewinnen. Auf dem Weg in die Stadt zum Wochenmarkt kann ich jede Woche lesen, wie viel Millionen im Lottojackpot zu gewinnen sind. Und irgendwo ist bestimmt wieder ein Glücksrad aufgebaut, bei dem man als Hauptpreis wenigstens irgendein seltsam anmutendes Stofftier gewinnen kann.

 

Sie können heute gewinnen!

 

Beim Supermarkt kann ich ein Grill Event mit Steffen Henssler gewinnen. In der Illustrierten ein Wochenende im Strandhotel Glücksburg. Und beim Telefonanbieter kann ich ein Tablet gewinnen, wenn ich jetzt gleich einen Vertrag unterschreibe. Wer will nicht gerne gewinnen?

 

Ich stelle mir vor, es wäre so – und ich würde immer gewinnen. Beim Lotto wüsste ich schon vor der Ziehung die richtigen Zahlen. Und bei "Wer wird Millionär" würde ich Günter Jauch in Verzweiflung treiben, weil ich ohne einen einzigen Joker alle Fragen schon im Voraus wüsste.

 

Wie wäre es, wenn ich das Glück gepachtet hätte und immer gewinnen würde? Ich könnte mir alles leisten und alles anschaffen... Ob es mir damit besser gehen würde? Ich könnte ja nicht verlieren…

    Aber wenn ich immer gewinne... dann wäre ich ja nur von lauter Verlierern umgeben, die mich neidvoll beäugen.

 

Denn wo es einen Gewinner gibt, gibt es immer auch viele Verlierer. Und es gibt ja tatsächlich Menschen, die nicht verlieren können. Das heißt, sie verlieren schon öfters. Aber sie können schlecht damit umgehen, selbst wenn sie Zweiter geworden sind. Sie kämpfen mehr, als dass sie spielen.

    Mit solchen Menschen spielt man nicht gerne, weil auch das Verlieren zum Spiel gehört. Bei uns in der Familie wird viel gespielt. Als die Kinder kleiner waren, haben wir öfter zu Gunsten der Kinder geschummelt, damit sie die Freude am Spiel behalten.

    Heute müssen wir schon aufpassen, um ab und zu auch mal gegen sie zu gewinnen. Aber es ist gar nicht schöner, wenn man immer nur gewinnt.

    Es tut auch gut, wenn einen die anderen trösten, weil man dreimal hintereinander verloren hat.

 

Es gibt ein Bibelwort, das mir im alten Lutherdeutsch am besten gefällt, weil es so fremd und so anders ist. Und es gefällt mir auch, weil es meine Vorstellung von Gewinn und Glück so herrlich auf den Kopf stellt.

 

 

 

Wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren;

wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden.

Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne

und nähme doch Schaden an seiner Seele?

 

Das steht im 11. Kapitel des Matthäusevangeliums.

    Was hilft es mir, wenn ich jeden Gewinn voll ausschöpfe, jedes Schnäppchen mitnehme und sich bei mir immer mehr Sachen ansammeln, die ich in meinem Leben nie brauchen werde? Was hilft es mir?

 

Fängt mein Glück erst da an, wo ich die ganze Welt gewinne? Das Bibelwort im alten Lutherdeutsch stellt die Perspektive auf den Kopf – und fängt beim Verlieren an. Ich muss nicht immer gewinnen, sondern kann auch gut verlieren.

    Ich muss nicht darum kämpfen, immer der Beste oder Klügste zu sein. Und ich muss auch nicht unbedingt mithalten im Wettbewerb um den schönsten Körper, das größte Haus und den teuersten Urlaub. Was hilft das schon?

    Mit dem Besitz wächst auch die Angst, diesen wieder zu verlieren.

 

Das Bibelwort lenkt meinen Blick weg vom materiellen Gewinn auf das, was wesentlich ist: Das Leben und die Seele. Es macht mein Leben reicher, wenn ich mein Herz an Gott hänge und nicht an den Gewinn.

Und ich lerne immer noch, wie befreiend es sein kann, loszulassen.

 

Wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren;

wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird's finden.

Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne

und nähme doch Schaden an seiner Seele?

 

Das Leben finden – das verspricht gute Erfahrungen beim Loslassen und Gewinn, auch wenn ich mal verliere. Gott hat ein großes Herz für die Verlierer und für die Verlorenen.

Sendungen von Heinz-Bernd Meurer