Wort zum Tage
Wie einer von vielen
16.10.2015 06:23

Als vor Jahren eine Kirche neu verfugt wurde, blieb ein Stein übrig. Er wurde offensichtlich nicht mehr gebraucht. Man sah ihm die Jahre an. Die Zeit hatte an ihm sichtbar Spuren hinterlassen. Ein Stein, den die Bauleute beiseite getan, ausrangiert, verworfen haben. Ich nahm ihn mit, denn mir war, als hätte er eine Botschaft für mich.

Ich musste an einen alten Mann denken, der sein Leben lang im Beruf aktiv gewesen war und den nun im Alter das Gefühl überkam, nicht mehr gebraucht zu werden, überflüssig zu sein. Und an die arbeitslose junge Frau, die anfing, an sich selbst zu zweifeln; sie hatte nach dreißig vergeblichen Bewerbungen noch immer keine Arbeit gefunden. Oder auch an den Asylsuchenden, dem die Nachricht zugestellt wurde, Deutschland wieder verlassen zu müssen. Lauter lebendige Steine, die sich beiseite geschoben, ausrangiert, verworfen vorkommen. Das geht an die Substanz. Bisweilen so tief, dass man sein Selbstwertgefühl verliert und sich als Versager fühlt.

Was tun? Wie umgehen mit solchen Gefühlen?

 

Von einem Stein vor zwei  Jahrtausenden wird ebenfalls erzählt, dass die Bauleute ihn beiseite geschoben, verworfen hätten. (Psalm 118,22)

 Bauleute? Das sind doch Menschen, die vom Bauen etwas verstehen. Sie hätten es doch eigentlich besser wissen müssen. Aber dieser Stein galt ihnen nichts. Zugegeben, von außen betrachtet fiel er nicht besonders auf. Es heißt, er hatte weder Gestalt noch Schönheit, dass Menschen nach ihm geschaut hätten.

So ist das oft: Ohne Aussehen kein Ansehen. Wäre das ein Goldbarren gewesen oder ein Stoff, aus dem die Träume und Wünsche der Menschen sind, verlasst euch drauf, man hätte hingeschaut und begierig danach gegriffen. Aber es war nur ein Stein wie einer von vielen.

 

Nun geschieht es, so wird erzählt, dass es gerade solch ein Stein war, den Gott ausgewählt hat. Gerade dieser Stein ist zum Eckstein geworden, das heißt absolut unverzichtbar für das Bauwerk. So sieht es aus. Was Menschen, Fachleute, verworfen haben, will Gott gebrauchen. Mehr noch: Er gibt ihm eine klare Bestimmung als Weg, als Wahrheit und als Leben.

Jesus ist der Name dieses Steins.

 

Gott ist eben doch noch ein ganz anderer Baumeister als wir Menschen. Von ihm wird keiner beiseite getan, ausrangiert und verworfen. Jeder Mensch – ohne Ausnahme – ist gewollt und hat seine Bestimmung. Keiner ist zufällig da. Jeder hat seine Gabe und damit seine Aufgabe, die zu verwirklichen gerade ihm aufgetragen ist.

Von Jesus, dem Eckstein, heißt es deshalb in der Bibel:

 „Wer ihm vertraut, wird nicht zuschanden werden!“ (nach Römer 10,11)