Dass mit Ostern, dass mit der Auferweckung Jesu dem Tod seine Macht genommen wurde; dass sie vor dem Tod nicht mehr erschrecken müssen, weil ihnen ein neues, ein ganz anderes Leben blüht, das hat für die ersten Christen eine ungeheure Freiheit bedeutet und ihrem Glauben seine Kraft gegeben.
Ich merke in diesen Tagen nach Ostern: Ich kann mich einer so gewaltigen theologischen Erkenntnis besser menschlich annähern. Am besten gelingt mir das Schritt für Schritt – in diesem Jahr sogar Schrittchen für Schrittchen. Und dabei habe ich etwas in der Hand – eine sehr viel kleinere Hand nämlich: Die Hand meines jüngsten Enkels. Jonathan ist mit seinen 16 Monaten zwar noch etwas wacklig auf den Beinen, aber von ungeheurer Entdeckerfreude. Und wenn ich mir nicht so recht vorstellen kann, wie das Leben noch einmal ganz neu wird und wie es einem auch völlig anders in den Blick kommen kann als ich es gewohnt bin, dann nimmt er mich an die Hand und wir laufen los.
Ja, ich gebe zu: Auf diesen Osterspaziergang habe ich mich am meisten gefreut in diesem Jahr. Klar, ins erste zarte Grün schauen, sich an der Natur erfreuen, die wieder erwacht – das wird, so ist mein Gefühl, ohnehin mit jedem Frühjahr schöner, das ich älter werde. Und auch wenn Goethes Pathos beim Osterspaziergang, dieses "Vom Eise befreit sind Flüsse und Bäche…" nach einem so warmen Winter nicht mehr stimmt – "des Frühlings holden, belebenden Blick", den spüre ich schon. Und zwar in der ungebremsten Entdeckerfreude, mit der dieser kleine Mensch an meiner Hand auf die Welt blickt und hinein tappelt: Wenn er alle Hunde einfach großartig findet, aber auch leuchtend bunte Blumen gerne streichelt. Wenn er völlig gebannt auf einen schwarzen Käfer blickt, der sich vor seinen kleinen Schuhen aus dem Boden buddelt. Und darüber offenbar ganz vergisst, dass da gar nicht Papa oder Mama seine Hand halten, sondern sein Opa. Eigentlich sehen wir uns nicht sehr oft, leider, 400 Kilometer trennen uns für gewöhnlich – aber das ist jetzt egal. Irgendwie hat der Große, der seine Hand hält, doch auch etwas Vertrautes an sich. Dieses große, fröhliche Vertrauen, das Jonathan rundum ausstrahlt, das bewegt auch mich. Schrittchen für Schrittchen. Und ich kann es wiederum stärken mit dem Versprechen, das Heinrich Böll in die Worte gefasst hat:
Wir kommen weit her
liebes Kind
und müssen weit gehen
keine Angst
alle sind bei dir
die vor dir waren
deine Mutter, dein Vater
und alle, die vor ihnen waren
weit weit zurück
Alle sind bei dir
Keine Angst
Wir kommen weit her
Und müssen weit gehen
liebes Kind
Ja, meine Hoffnung, dass das Leben weitergeht, auch wenn meins irgendwann mal zuende ist, diese Hoffnung hat ein Gesicht. Seins. Und das meiner anderen Enkel. Und ich bin dankbar für jeden Schritt miteinander.