New Generation
08.03.2025 23:45

Die Hälfte der Welt ist weiblich. In Deutschland sogar über 50 Prozent. Trotzdem ist die Bilanz am Weltfrauentag nach jahrzehntelanger Arbeit immer noch ernüchternd. Weniger Gehalt, weniger männliches Engagement, weniger Führungspositionen. Jetzt wächst eine neue Generation junger Frauen heran, von der Pastor Conrad Krannich in seinem Wort zum Sonntag erzählt. Neuer Schwung für die Vision einer besseren Welt.

Sendetext lesen:

Guten Abend!
Das war heute einer der besseren Tage: der internationale Frauentag. Hinter diesem Tag steht eine Vision des Menschseins. Und das zu feiern und stark zu machen, scheint mir richtig wichtig in diesen Tagen.

Ich bin Hochschulseelsorger in Halle. Jeden Mittwoch treffe ich mich mit Studierenden in der urigen Wohnküche unserer Gemeinde an unserem knarzenden Tisch. Schon viele Generationen vor uns saßen hier. Wir beten miteinander, wir kochen miteinander. Uns verbindet eine Vision des Menschseins und der Wille, Engagement und die großen Fragen nach dem Woher und dem Wohin irgendwie zusammenzuhalten. 

Jeden Mittwochabend laden wir Menschen ein, mit uns zu arbeiten über Themen, die die Studierenden umtreiben: von nachhaltiger Stadtplanung bis queerer DDR-Geschichte war da auch in diesem Semester vieles dabei. 
Unsere Runde beginnt immer damit, dass wir uns vorstellen. "Mein Name ist Conrad; ich nutze die Pronomen er/ihm." Für Ältere ist das manchmal sehr fremd.  Aber: Jeder soll so angesprochen werden, wie er das möchte, und das ist nicht immer auf den ersten Blick klar. Es geht darum, da sensibel zu sein. 
Neulich sagte mal eine Referentin: "Ihr seid so behutsam miteinander. Wenn ich so mit Samthandschuhen arbeiten würde, hätte ich nie erreicht, was ich erreicht habe." Und aus dieser kleinen Bemerkung lunzt ein echter Generationenkonflikt hervor.

Da gibt es die gestandenen Ost-Frauen, die sagen: Wir haben immer gearbeitet, unser ganzes Leben lang. Keinen Mann haben wir jemals gefragt, ob wir das dürfen. Wir sind LKW gefahren und haben Häuser gebaut. Wir haben geliebt, wen wir wollten. Und wenn wir als Frauen mit einer Frau zusammenlebten, dann hat uns das nicht davon abgehalten, trotzdem Kinder zu bekommen. 
Die Jüngeren in meiner Studierendengemeinde in Halle, die hören das und sagen: Ja, das habt ihr. Und das wissen wir. Ihr seid die Riesinnen, auf deren Schultern wir stehen. Ihr habt die Freiheiten erstritten, in die wir hineingewachsen sind, als wäre es das Allerselbstverständlichste. Dafür sind wir euch dankbar, sehr sogar. 

Aber vergesst doch bitte nicht dies: Neben der Lohnarbeit wart ihr es, die die Kinder großgezogen und Opa gepflegt haben. Kein Mann hat euch geholfen. 
Und die Kämpfe sind doch alles andere als vorbei: Unterschiedliche Bezahlung ist real. Die Pflegelücke ist real. Real sind häusliche Gewalt und eine Gesellschaft, die Femizide verharmlost. Real ist, dass nach unserem Vortrag an der Uni mehr über das Outfit gesprochen wird als über Inhalte. Und real ist, dass größenwahnsinnige Männer gerade die Welt neu ordnen, und zwar bis in die Körper von Frauen hinein. Was ihr erreicht habt, das ist so fragil. Und viele Männer tun so als gehe sie das nichts an.

Das antworten die jüngeren Frauen in meiner Gemeinde ihren älteren Schwestern und sagen: Wir führen die Kämpfe weiter, die wir von euch geerbt haben. Mit denen, die ihr noch gar nicht im Blick hattet. Wir feiern heute euren Frauentag, und wir feiern heute unseren feministischen Kampftag.
Und ich? Und ich teile mit den jungen Christinnen und Christen die Vision von einer Welt, in der alle Menschen leben und lieben können, wie sie wollen. Ich teile die große christliche Hoffnung, dass das möglich ist.

Kommen Sie gut durch die Nacht.

Es gilt das gesprochene Wort.

Sendungen von Pfarrer Conrad Krannich