Guten Abend!
Ich habe eine neue Heldin. Sie hat vor drei Jahren, 2022, eine Petition gestartet, die in diesem Monat endlich erfolgreich umgesetzt worden ist. Seit dem 1. Juni gibt es in unserem Land das Recht auf Mutterschutz für Frauen nach einer Fehlgeburt, also wenn ihr Kind ganz klein im Mutterleib verstirbt. Die Heldin heißt Natascha Sagorski und hat selber ein Kind verloren. Ich kenne sie nicht persönlich, aber ich erlebe ihr Anliegen sehr regelmäßig als Krankenhausseelsorgerin. Eine Frau geht zur Routineuntersuchung in der Schwangerschaft, und dann ist da plötzlich kein Herzschlag mehr. Die Welt bricht zusammen. Beim letzten Mal war noch alles in Ordnung – und jetzt lebt das Kind nicht mehr.
Ich weiß, das ist ein schweres Thema zu so später Stunde. Es ist vielleicht kaum auszuhalten, sich das vorzustellen, aber ich spür immer wieder: Auch in solchen Momenten ist Gott da. Es geht um Trauer und Verlust und das gerade da, wo wir am empfindlichsten sind: bei den Kindern.
Was dann kommt, ist der Weg des Abschieds. Loslassen. Viele haben doch schon Dinge gekauft fürs Kind. Die meisten Babys haben schon einen Namen, da sind eine Lina und ein Mahmut. Und in den Köpfen und Herzen der Eltern gibt es schon bunte Bilder vom Elternsein und vom Zusammenleben mit Kind. Das zerbricht alles.
Begleitung, das ist jetzt nötig. Und zwar auf ganz verschiedenen Ebenen:
Gute Medizin, klar. Sie brauchen auch einen respektvollen Umgang mit dem kleinen toten Menschenwesen und seiner Würde. Und ich als Pfarrerin sage: mitten in diesem Schmerz brauchen sie paradoxerweise auch den staunenden Blick auf das Wunder Mensch, wie perfekt der Mensch ist, schon in den frühen Schwangerschaftswochen!
Und es geht um Unterstützung. Es gibt nämlich wundervollerweise viele Menschen, die diese Familien unterstützen. Nicht nur in den Kliniken die Teams, danke. Auch Ehrenamtliche, die solche Nestchen nähen, damit Eltern die Möglichkeit haben, ihr Kleines im Arm zu halten - vielen tut das sehr gut. Es gibt das Angebot von Fotografinnen und Fotografen. Sie fahren ehrenamtlich als "Sternenkindfotografen" in die Kliniken. Wenn sie dann ganz behutsame Fotos von den Kleinen machen, ihnen ein Gänseblümchen in die kleine Hand legen, dann erschaffen sie Bilder, die für Familien noch jahrelang wichtig sein können, zum Erinnern und zum Verarbeiten. Das ist Unterstützung. Und ich kenne viele betroffene Eltern, die in Selbsthilfegruppen gehen und die sind da ja nicht nur für sich selber, sondern die Stärken auch die Andere.
Die Fehlgeburt aus der Tabuzone rauszuholen. Zeit, körperlich und seelisch damit klarzukommen. Diese Art der Trauer anerkennen. Dafür ist der gesetzliche Mutterschutz eine ganz wichtige Errungenschaft.
Und es geht auch um Werte, die unser Zusammenleben braucht, die wir alle brauchen: Um Würde, die für jeden Menschen gilt unabhängig von Alter und Gewicht. Um Liebe, die den Tod aushält. Um Rechte von Frauen, von Müttern – denen solches widerfährt. Und es passiert viel öfter, als man denkt.
Ich bin dankbar für die Unterstützung, praktisch und politisch und seelisch. Ich merke immer wieder: Leben ist so viel mehr als das, was wir sehen. In der Bibel gibt es den Gedanken, dass Gott mich kennt, noch bevor ich im Mutterleib gebildet wurde. So ein schöner Gedanke! Er hält die Lebenden und die früh Gestorbenen in Gott zusammen.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.