Guten Abend!
Letztens auf dem Friedhof hörte ich sie wieder zählen. Wir waren am Grabfeld, es war nur eine Wiese, ohne Stein oder Markierung, da sollte die Urne beigesetzt werden. Und die Angehörigen hinter mir zählen: sieben Schritte ab Rasenkante vor, dann nach links. Ich sehe, wie sie sich orientieren: da ist ein Busch. Ich weiß, sie wollen den Ort wiederfinden. Sie wollen wieder herkommen, eine Kerze bringen oder eine Blume. Oder einfach dastehen und sich erinnern.
Solche Geschichten erlebe ich als Pfarrerin immer wieder. Da haben Menschen weit im Voraus Vorsorge getroffen, wie sie beerdigt werden wollen, damit ihre Hinterbliebenen wenig Arbeit haben und keine finanzielle Belastung. Aber die stehen dann da und sagen: wir wollten doch zumindest einen Ort haben!
Ich als Christin glaube daran, dass wir uns über das Wohl dessen, der gestorben ist, keine Gedanken machen müssen. Er, sie ist bei Gott aufgehoben. Für die Toten ist es egal, wie und wo die Grabstätte ist. Aber für die, die trauern, ist das ganz wichtig. Denn die müssen mit dem Tod weiterleben. Und sie brauchen eine Form. Und wenn sie einen Ort brauchen, ist es gut, wenn sie den bekommen.
Nicht umsonst gibt es mittlerweile nach einer Seebestattung Plaketten mit Namen da, wo das Schiff abgelegt hat, oder an dem Steg, der aufs Meer hinausweist. Oder Platten in der Wiese, über die der Rasenmäher fahren kann - aber ein Name steht da.
Deshalb: Wer auch immer sich zu Lebzeiten Gedanken macht und womöglich auch schon Dinge über den eigenen Tod hinaus regelt – das ist gut, aber ich find es ganz wichtig, dass diese Dinge im Gespräch mit den Lieben geregelt werden. Damit sie sagen können, was ihnen wichtig wäre in ihrer Trauer.
In dieser Woche ist viel über Bestattungskultur gesprochen worden. In Rheinland-Pfalz sind jetzt andere Formen der Bestattung möglich. Zum Beispiel die Asche eines Verstorbenen zu Hause aufzubewahren oder sie in Erinnerungsstücke umzuwandeln oder in einem Fluss, zum Beispiel der Mosel, zu bestatten. Das alles war bis dahin nicht erlaubt.
Aus meiner Arbeit als Pfarrerin kenne ich das schon lange. Da fahren Menschen ins Ausland, um das deutsche Bestattungsgesetz zu umgehen. Hinter der Grenze bekommt man die Asche und kann dann irgendeine Art von Beisetzung gestalten - Asche im Ballon steigen lassen, Asche zum Lieblingstauchspot auf Bali bringen. Asche im eigenen Garten in der Lieblingsecke beisetzen. Dieser Weg ist mit unserem Bestattungsgesetz nicht möglich. Doch die Zeiten haben sich geändert, Menschen trauern anders als früher und haben auch andere Bedürfnisse, den Abschied zu inszenieren. Mit dem Tod eines geliebten Menschen weiterzuleben ist schon schwer genug. Ich finde, es wäre ein gutes Argument für mehr Offenheit in der Gestaltung des Abschiedes.
Nur eines halte ich nicht für einen guten Weg: Die Urne im Wohnzimmerschrank. Ich will Ihnen gern sagen, warum. Ich erinnere mich an eine alte Dame, deren Mann schon mehrere Jahre verstorben war. Sie erzählte mir, dass sie das Gefühl habe, in ihrer Trauer auf der Stelle zu treten. Sie kam einfach nicht weiter. Und dann verriet sie, dass sie die Asche ihres Mannes auf dem Balkon hatte. Und plötzlich wurde ihr bewusst: Das war einfach zu nah.
Jede Beisetzung ist ja ein Loslassen. Ich lasse den Verstorbenen dort - und ich, als Hinterbliebene, ich gehe weiter, in mein Leben.
Wie wichtig das ist, habe ich von dieser alten Dame gelernt. Wir haben damals die Asche dann zusammen beigesetzt. Und danach wurde es ihr tatsächlich leichter. Welche Form auch immer eine Beisetzung hat, es ist gut, die Verstorbenen loszulassen. Sie gehören uns ja auch nicht. Und so sehr wir es vielleicht wünschen, wir können sie nicht behalten - nur in der Erinnerung.
"Memento mori", heißt es schon in der Bibel, das bedeutet: Denk dran, dass du sterblich bist. Das macht dich klug.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.