Bereit zur Freiheit!
Samstags nach den Tagesthemen im Ersten
30.08.2025 23:50

 

Samstags um 17 Uhr können Sie an dieser Stelle bereits den Sendetext lesen.

Schönen guten Abend!

Wir waren in den Sommerferien in England im Urlaub. Was mir ziemlich schnell aufgefallen ist: in England wird gut für die Menschen gesorgt! An jedem Warmwasserhahn in öffentlichen Einrichtungen steht die Warnung "Achtung, heißes Wasser!". Vor jedem Kreisverkehr schon frühzeitig die Warnung: "Achtung abbremsen! Es kommt ein Kreisverkehr!" An jeder Glas-Schiebetür in der U-Bahn: "Achtung, automatische Tür!" Irgendwann sagt mein Mann: "Mensch, die Leute hier werden ganz schön in Watte gepackt. Überall irgendwelche Warnungen, ich bin doch kein kleines Kind und ganz doof bin ich auch nicht. "Achtung, heißes Wasser" - ja, was denn sonst, wenn ich den Warmwasserhahn aufdrehe?"

Ich hatte diese Warnungen bisher eher als fürsorglich empfunden. Ganz gutgläubig nach dem Motto: ach, die kümmern sich aber gut um mich!

Je länger wir darüber gesprochen haben, desto klarer wurde uns: das fehlt uns in unserem Alltag zuhause überhaupt nicht. Wir sind bisher ganz gut klargekommen mit heißem Wasser, Kreisverkehren und automatischen Schiebetüren - auch ohne Warnung.

Wahrscheinlich hat es für die Engländer versicherungstechnische Gründe, solche Hinweise aufzuhängen. Aber zeigen diese Warnungen nicht auch, dass es anscheinend schwierig ist, mit eigener Verantwortung und Freiheit umzugehen? Tatsächlich sind mein Mann und ich in unserem Gespräch schließlich bei diesen Themen gelandet.

Ich schätze mein freiheitliches Leben sehr und bin nicht bereit, dieses höchste Gut aufzugeben. Freiheit bedeutet: Es können nicht immer andere alles für mich regeln.

Und: ich bin für mich verantwortlich und muss dann bereit sein, auch Risiken einzugehen. Ich kann auch nicht immer jemand anderen zur Rechenschaft ziehen, wenn bei mir was falsch gelaufen ist. Freiheit hat natürlich auch Grenzen. In einer Gesellschaft kann ich eben nicht immer tun, was mir gerade in den Kram passt, sondern ich muss schauen, dass es anderen nicht schadet. Das ist nicht immer einfach.

Und ich frage mich aktuell: Überfordert die Freiheit nicht auch immer mehr? So erkläre ich mir jedenfalls, warum sich einige nach einer Person sehnen, die sagt, wo es lang geht. Die entscheidet – weil es leichter scheint – und mir meine Freiheit abnimmt, um mich angeblich zu schützen und Sicherheit zu garantieren. Ich will mich mit so einer Lösung nicht abfinden! Ich will möglichst frei und selbstbestimmt leben - auch wenn es anstrengend ist. Alles genau zu regeln und vor allem zu warnen, bevormundet mich und führt aus meiner Sicht eher zu Unfreiheit.

Die jüdisch-christliche Tradition hat da einen für mich hilfreichen und vor allem positiven Ansatz. Sie reguliert zwar auch, aber als An-Gebot. Es heißt nämlich in den Zehn Geboten eigentlich – anders als oft übersetzt: "Du brauchst nicht! Du brauchst nicht lügen, Du brauchst nicht stehlen." Und so weiter. Dieses "Du brauchst nicht" betont die Freiheit des Menschen zum guten

Handeln. Die Zehn An-Gebote trauen dem Menschen zu, dass er weiß, was richtig und gut für ihn und die Mitmenschen ist. Für die Freiheit bin ich bereit, Verantwortung zu übernehmen für mein Leben und für das, was ich tue. Das kann auch mal schief gehen, völlig klar. Das Leben ist eben voller Risiken. Und absolute Sicherheiten, die gibt es nicht - auch nicht mit Regeln und Warnungen. Was aus meiner Sicht hilft: vorsichtig und verantwortlich mit meiner eigenen Freiheit umzugehen und mit der Freiheit der anderen Menschen auch – weil Gott es mir zutraut.

Haben Sie einen schönen Sonntag!

Kontakt zur Sendung

Katholischer Rundfunkbeauftragter für Das Wort zum Sonntag für den WDR

Dr. Philipp E. Reichling OPraem
Telefon   0221 / 91 29 782
E-Mail     philipp@katholisches-rundfunkreferat.de 
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