Pilgerferien
Samstags nach den Tagesthemen im Ersten
13.09.2025 23:35

Ganz bewusst hat sich Wort-zum-Sonntag-Sprecher Alexander Höner mit seiner Familie für eine andere Art von Urlaub entschieden. Keine Adria, kein Lago Maggiore, keine Ostsee. Nicht Wandern, sondern Pilgern. Eine Woche und 80 Kilometer auf dem Lutherweg in Sachsen-Anhalt. Mit Rucksack und Zelt. In seinem Wort zum Sonntag berichtet der Pfarrer aus Berlin von gemeinsamen überraschenden Erfahrungen.

 

Sendetext lesen:

Seien Sie gegrüßt am späten Samstagabend!

Diesen Sommer habe ich mal etwas ganz anderes gemacht. Normalerweise bin ich einer, der gerne weit weg fährt. Italien, Kroatien. Ich hab‘ dann das Gefühl, je mehr Kilometer zwischen mir und Berlin sind, desto erholter bin ich. Und dann brauche ich außerdem das Meer. Den Salzgeruch, den weiten Horizont. Dieses Jahr gab’s für mich nix von dem. Stattdessen einen 18 Kilo-Rucksack. Ganz anders als sonst. Wir haben uns als Familie zu einer Pilgertour entschlossen, nein, keine mehrtägige Wanderung, sondern Pilgern von der Schlosskirche Wittenberg bis zum Kloster auf dem Petersberg. Der sogenannte Lutherweg. Sachsen-Anhalt. 80 Kilometer zu Fuß. Mit Sack und Pack, Zelt und Verpflegung. Zu fünft, also Frau, Kinder, Hund und ich. Entlang von Orten, die etwas mit dem großen Reformator Martin Luther zu tun haben.

Erste Etappe: Über die Elbe nach Bergwitz. Am Ortsschild sind wir schon ziemlich kaputt. Zum Glück stehen am Straßenrand wilde Mirabellenbäume voll mit süßen gelben Früchten. Wir machen Steineweitspucken, um uns abzulenken, dass der Ort sich scheinbar noch ewig lang hinstreckt. Und als Krönung verlaufen wir uns dann auch noch. 

"Wo kommt ihr denn her?" ruft uns ein älterer Mann lachend entgegen. Karl-Heinz. Eine der guten Seelen vom Evangelischen Freizeitenheim. "Habt euch wohl verlaufen, wa?!" Er streckt jedem von uns seine Hand entgegen und sagt vier Mal: "Willkommen im schönen Bergwitz" und das mit einer solchen Herzlichkeit, dass wir unsere schmerzenden Füße schnell vergessen. Wir zelten auf der Wiese unter Apfelbäumen. Alles ganz einfach und so wunderschön. Wie toll, dass es solche Orte wie das Freizeitenheim in Bergwitz gibt. Und auch solche wunderbaren Menschen wie Karl-Heinz und seine Kollegin Martina, solche Gastfreundschaft. Da ist Kirche wirklich meine Heimat.

"Hast du morgens denn wenigstens immer ne kleine Andacht gefeiert oder was hat Euer Wandern zum Pilgern gemacht?" fragt mich später ein Freund ein wenig provozierend. Gute Frage. Was macht eigentlich das Wandern zum Pilgern?

Wir wollten nicht wandern, wir wollten pilgern. Wir haben’s extra so genannt. Das ist schon mal der erste Schritt. Und der Rest kommt, finde ich, von ganz alleine: Die instant Nudelsuppe aus der Tüte, die abends so gut schmeckt wie ein Festessen. Die Unaufgeregtheit. Der einfache gleiche Rhythmus der Tage. Das Gefühl durch die Natur mit einer besonderen Kraft verbunden zu sein. Das Nachtgebet eines der Kinder im Schlafsack : "Danke, lieber Gott, für diesen Tag und dass uns nichts passiert ist." Wir haben bewusst den Lutherweg gewählt und ein Kloster als Endpunkt. Ins Gästebuch dort schrieb eines der Kinder: "Wir sind am Ziel. Was für ein wunderschöner Ort hier. Danke, dass wir das sehen können." Dann haben wir dort einfach für eine längere Zeit still in der Kirche gesessen und ich habe ein kurzes Abschlussgebet gesprochen.

Das hat für uns das Wandern zum Pilgern gemacht. Und es hat uns gut getan. Einfach 80 Kilometer durch Sachsen-Anhalt. Danke für die Gastfreundschaft dort. Ich wünsche Ihnen allen eine gute und behütete Nacht.