Per Anhalter durchs Leben
mit Pfarrer Alexander Höner aus Berlin
16.09.2023 23:35

Guten Abend, meine Damen und Herren!

Als ich  das meinen Freundinnen und Freunden erzählt habe, haben die meisten von ihnen gesagt: „Du spinnst! Ey, da hätte euch sonst was passieren können!!!“ Und ich: Ich hab‘ das zwischendurch auch gedacht: „Was…. Was machen wir hier eigentlich?!“

Meine Freundin und ich waren auf der Autobahn - Rückweg nach Berlin. Wir bekamen Hunger. Eigentlich hätten wir durchfahren können, es wäre nur noch eine Stunde gewesen. Trotzdem fuhren wir  auf die Ausfahrt zur nächsten Raststätte. Wenn wir das nicht gemacht hätten, wäre alles anders gekommen.

„Du, da steht ein Mönch!“  sagte meine Freundin.  Vor den Eingangstüren der Raststätte stand ein großgewachsener, schmaler Mann in den Fünfzigern. Er trug eine Mönchskutte in hell und dunkel Blau - so eine Kombination hatte ich  selbst als Pfarrer noch nie gesehen. „Ist der echt?“ fragte meine Freundin. Was sollte ich sagen, ich wusste es ja nicht. Wir stiegen aus und er fragte uns auf  Englisch, ob wir nach Polen fahren würden. Aber wir waren  auf dem Weg nach Berlin. Man sah ihm die Enttäuschung an. Wir verabschiedeten uns und gingen in die Raststätte.

An der Kasse sahen wir immer wieder raus. Er sprach andere Leute an. Kopfschütteln. Er tat uns leid. „Mensch, es ist schon 19 Uhr, den nimmt keiner mehr mit. Komm, wir bieten ihm an, dass wir ihn nach Berlin mitnehmen und er bei uns übernachten kann.“ Gute Idee aber gleichzeitig dachte ich: „Wir kennen den doch überhaupt nicht. Was, wenn der nur verkleidet ist? Und das nur ne dumme Masche ist?“ Horrorbilder vom letzten Tatort fliegen mir durch den Kopf und ein Satz, den mein Nachbar neulich zu mir sagte: „Ich rechne nur noch mit dem Schlechten.“ Nur noch mit dem Schlechten.

Das genaue Gegenteil von dem, was der Mönch gerade brauchte. Und vielleicht auch was alle Menschen aktuell brauchen: Auch mal mit dem Guten rechnen. An das Gute glauben und es auch tun. Als Gottesmann verließ sich der Mönch beim Trampen  auf ein Jesus Wort: „Klopfet an, so wird euch aufgetan“ – was für ein Vertrauen, dass es gut werden wird, ausgesprochen von Jesus, als er mit seinen Freundinnen und Freunden unterwegs ist! „Klopfet an, so wird euch aufgetan“ Das klappt nur, wenn man an das Gute glaubt. Nicht naiv und unvorsichtig, aber trotz allem mit  einem Grundvertrauen ins Leben und an die Mitmenschen. Wir leben gerade in einer ungewissen Welt. Das hören und sehen wir jeden Tag. Große Dinge sind anzupacken. Aber: Wenn wir  nicht mit dem Kleinen beginnen, bei uns selbst, bei unseren Nachbarn und  ebenso bei den Unbekannten, dann schaffen wir das Große auch nicht.

Also: Wir nahmen Francois mit. Er schlief bei uns Zuhause. Ein Mönch aus einer kleinen Kommunität in Belgien auf dem Weg in ein kleines Kloster in Litauen, wo er in den nächsten Wochen aushelfen wollte. Und natürlich: Wir haben’s „überlebt“. Er packte keine Kettensäge aus seinem Rucksack, die Horrorbilder in meinem Kopf bestätigten sich nicht. Stattdessen gab Bruder Francois uns etwas anderes mit: Seine beeindruckende Sicht auf’s Leben. Ich kann das gar nicht richtig beschreiben. Nach unseren Gesprächen bin ich irgendwie ganz ruhig gewesen. Man spricht ja manchmal vom Seelenfrieden – so fühlte sich das an.

Als ich ihn am nächsten Morgen an der letzten Tankstelle vor der polnischen Grenze aussteigen ließ, drehte er sich noch einmal um und sagte: „Danke, ich werde für euch beten.“ In diesem Sinn wünsche ich auch Ihnen eine behütete Nacht.

Sendeort und Mitwirkende

Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)

Redaktion: Ulrike Bieritz
 

Das Wort zum Sonntag