Grüße vom Ätna
mit Pfarrer Alexander Höner aus Berlin
13.04.2024 23:45

„Hast Du schon die Bilder vom Ätna gesehen?“ fragte mich neulich meine Kollegin. „Voll schön. Vielleicht ist das was für dein Wort zum Sonntag?!“ Ich war sprachlos: Ein Vulkanausbruch? Ich brauch‘ gerade wirklich was Schönes - keine weitere Katastrophe. Und das sagen mir aktuell ganz viele: „Ich halte die schlechten Nachrichten nicht mehr aus. Irgendwie läuft gerade alles schief. Auch im Persönlichen.“ 

Zufällig sehe ich sie dann doch, in der Tagesschau, die riesengroßen Rauchkringel über dem Ätna, dem aktiven Vulkan auf Sizilien. Leicht und luftig schweben sie am knallblauen Himmel. Die Ringe scheinen zu tanzen. Zum Glück keine Vorboten eines nahenden Ausbruchs, sie sind einfach nur schön. Die Rauchkringel entstehen in einem neuen Nebenkrater des Vulkans. Das passiert ziemlich selten und ist vollkommen ungefährlich. Ich hatte das bisher noch nie gesehen. Ich starre auf die Aufnahmen. Bin fasziniert und, ja, fast gerührt. Es sieht so aus, als ob ein Riese auf dem Rücken liegt und gemütlich Rauchkringel in die Luft pustet. Ganz entspannt, luftig und leicht.

Warum berührt mich dieser Anblick so? Ich glaube, darum: Die Rauchzeichen erinnern mich knallhart daran, dass wir Menschen eigentlich auf flüssigem Magma leben. Seit tausenden von Jahren. Nur dünne Erdplatten trennen uns von der glühenden Flut. Meine Tochter Ida fragte neulich: „Sag mal Papa, wie lange wird‘s denn eigentlich die Erde noch geben?“ „Wahrscheinlich so ein bis drei Milliarden Jahre“, krame ich mein altes Schulphysik-Wissen hervor. „Und dann?“ – will sie wissen. „Na, dann wird sie von der Sonne verschluckt.“

Diese naturwissenschaftliche Erkenntnis ist heftig. Dass die Erde in ein paar Milliarden Jahren nicht mehr sein wird, zeigt mir aber vor allem eins: wie relativ alles ist, wie relativ auch ich bin. Und gleichzeitig, wie kostbar die Jahre sind, die ich hier auf der Erde habe. Alles vom Ende her denken. Vielleicht ist das die einzige gute Nachricht, die wir dem aktuellen Wahnsinn dieser Tage entgegenhalten können: Ja, denkt vom Ende her, nichts wird bleiben: Keine Bomben, kein Fanatismus, kein Egoismus, kein schneller, höher, weiter. Kein: Nur ich hab‘ Recht. Das wird alles eines Tages verschwinden - genau wie alles Schöne. Weil Leben begrenzt und endlich ist.

Und dann gibt es diese Rauchzeichen: tief aus der Erde steigen sie hoch in den Himmel. Grenzenlos und vollkommen unbeirrt. Wie Heiligenscheine. Als wollten sie sagen: Das naturwissenschaftliche Wissen ist das eine, das unfassbar Schöne das andere – das Gespür für’s Unendliche, die tiefe Verbindung zwischen Himmel und Erde – auch wenn uns hier gerade so viel um die Ohren fliegt.

Halten Sie mich für sentimental oder vielleicht auch für verrückt, aber für mich sind diese Rauchzeichen über dem Ätna beruhigend. Zart und leicht schweben sie über der Erde. Als Segenszeichen über dieser zerrütteten Welt.

Segenszeichen auch für Sie in dieser Nacht.

Sendeort und Mitwirkende

Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)

Redaktion: Ulrike Bieritz
 

Das Wort zum Sonntag