Hab ich alles richtig gemacht?
mit Pfarrer Alexander Höner aus Berlin
02.03.2024 22:45

Guten Abend, meine Damen und Herren!

Mein Vater fragte mich einmal: warum hast Du eigentlich nichts Vernünftiges gelernt? Bitter. Der eigene Vater. Er war ein zupackender, hanseatischer Kaufmann durch und durch. Druckmaschinen, vor allem die alten – das war eine seiner Leidenschaften. Tja, warum hast du eigentlich nichts Vernünftiges gelernt? Ich hab‘ das immer selbstbewusst abgetan. Schließlich ist Pfarrer-Sein ja nicht das Schlechteste, oder?! Aber manchmal habe ich mich schon gefragt, ob ich vorm Studieren nicht doch eine Lehre hätte machen sollen.

Gerade jetzt wieder, als mir bei youtube ein alter Werbespot über den Weg lief: Zwei Männer am See. Eine wunderbare Sommerstimmung. Summer Feeling, Leichtigkeit und dann diese Frage, diese eigentlich viel zu große Frage: „Sag mal, wenn du dein Leben noch einmal leben könntest, würdest du alles genauso noch einmal machen?“ Und die Antwort, sie kommt überraschend schnell:

 

„Nicht ganz.“ 

Was für eine Frage – was für eine Antwort! „Würdest du in deinem Leben alles genauso noch einmal machen?“ Würden Sie in ihrem Leben etwas anders machen? Bei mir gibt‘s Dinge, die ich … richtig … bereue. Und bei bestimmten Entscheidungen bin ich mir auch mittlerweile nicht mehr sicher, ob ich sie so wieder treffen würde.

Deshalb kann ich gerade eine der Hauptbotschaften meines Glaubens nicht gut hören: „So wie du bist, bist du richtig und gut. Gott liebt dich.“ Ist fundamental, ist wichtig, ohne dem geht christlicher Glaube nicht. Aber was ist denn, wenn ich mich selbst gerade nicht so richtig toll finde, unzufrieden bin und mein Leben verändern will? Dann ist so eine Zusage nicht besonders hilfreich. Sie verhindert vielleicht sogar eher, dass ich wirklich anfange, etwas anders in meinem Leben zu machen. „Bevor Du mir glaubst, kehr‘ erst einmal um! So wie Du bist, bist Du nicht okay.“ Sowas sagt Jesus auch. Wie ist das nun? Okay oder nicht okay?

Für mein Leben macht es einen Unterschied, wenn ich damit rechne, dass am Ende meines Lebens jemand wie bei der Fernsehwerbung kommt und mich fragt: „Sag mal, Alexander, wenn du dein Leben noch einmal leben könntest, würdest du alles genauso noch einmal machen?“ So ein ehrlicher Moment. So ein Moment, in dem mir die Augen aufgehen für das unbemerkte Glück, aber auch das unbemerkte Unrecht, was ich verzapft habe. Ein letzter Moment für die Menschen, die ich übersehen habe. Zum Beispiel beim Familienstreit vor zwanzig Jahren, bei dem ich so dickköpfig geblieben bin. Es gibt Dinge, die kann man nicht zurückdrehen oder wiedergutmachen. Aber es ist ein Segen, von Zeit zu Zeit stehen zu bleiben, sich ehrlich zu machen und umzukehren. Ich glaube, die Welt wäre eine andere, wenn wieder mehr damit rechnen würden, dass es am Ende jedes Lebens so einen ehrlichen Moment gibt.

Kommen Sie gut und behütet durch die Nacht.

 

Sendeort und Mitwirkende

Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb)

Redaktion: Ulrike Bieritz
 

Das Wort zum Sonntag