Morgenandacht
Gemeinfrei via unsplash/ Simon Maage
Katharina Zell
Zur langen Nacht der Biografie im DLF
23.07.2022 06:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Heute Abend ist der Deutschlandfunk mit der Langen Nacht „Auf den Spuren fremden Lebens“ (1). Ab dreiundzwanzig Uhr fünf geht es um Biografien, um das Leben von Menschen. Ich bin dabei. Denn auf mich treffen zwei Sätze zu, die die Macher zur Sendung sagen: Die Neugier auf das fremde Leben ist unstillbar. Und manchmal ist auch Heldenverehrung im Spiel.

Die Frau, von der ich erzähle, ist für mich tatsächlich eine Heldin. Sie heißt Katharina Zell und lebte vor fünfhundert Jahren in Straßburg. Sie war mutig und tatkräftig, mehr als viele Zeitgenossen. Heute kann ich an ihr sehen: Auch in schwierigen Zeiten waren Menschen für andere da. Und sind gleichzeitig sich selbst treu geblieben.

Katharina Zells berufliches Wirken hatte damals keinen Namen. Sie konnte weder Pfarrerin noch Gelehrte werden als Frau, Streitschriften und Predigten traute man Frauen nicht zu. Heute würde man sie eine theologische Publizistin nennen und gleichzeitig Leiterin einer Hilfsorganisation. Sie war begeistert von den Glaubens-Reformen Martin Luthers. Sie machte öffentlich, wie ihr neuer Glaube Ängste besiegt hat, sie frei und zuversichtlich machte. Und ihr Kraft gab für ihren Beistand für andere.

Früher als Martin Luther selbst hat sie etwas getan, was Luther sich erst Jahre später traute (2). Katharina heiratete. Gut, das wäre normal gewesen. Aber sie heiratete einen Pfarrer, Mattis Zell vom Straßburger Münster. Das war verboten (3). Ein Pfarrer musste im Zölibat leben. So war das fünfzehnhundertdreiundzwanzig, als Katharina und Mattis heirateten. So ist das bis heute Gesetz der römisch-katholischen Kirche (4). Ihre Trauung war eine öffentliche Demonstration. Gegen die gängige Auffassung: Wer auf Liebe und Ehe verzichtet, ist dem Himmel eine Stufe näher. Und gegen die Meinung, es gäbe eine Art geistlichen Stand, der das Weltliche hinter sich lässt. Das Weltliche, das waren auch Sexualität und Ehe.

Katharina und Mattis waren dagegen überzeugt, dass Luther die Bibel richtig verstanden hat: Gott hat Mann und Frau geschaffen. Gott hat Geist und Leib geschaffen. Es gibt keine in sich höheren oder niederen Eigenschaften des Menschen. Böses tun und sündigen können sie mit ihrem Denken, mit ihrem Tun und mit ihrer Sexualität. In allen Bereichen kann man andere Menschen schrecklich schädigen und sein Leben verfehlen. Und auf der anderen Seite: In allen Bereichen kann man verbindlich, liebevoll und offen leben.

Für Katharina war die Ehe mit Mattis mehr als Versorgung. Gemeinsam sind sie für ihren Glauben eingetreten. Und für das, was aus christlichem Glauben ganz selbstverständlich folgen soll: Hilfe für andere.

Es war die Zeit der Bauernkriege, als die Armeen der Fürsten die Aufstände der Bauern blutig niederschlugen. Da unterstützte das Ehepaar politische Verhandlungen. Als diese scheiterten, sollte wenigstens die Hilfe für die Opfer gelingen. Katharina organisierte Verpflegung und Zu­flucht in ihrem Haus und in der Stadt für die Frauen und Kinder der erschlagenen Bauern. Katharina gewährte Asyl. Und zwar allen, die sie baten, auch wenn ihr deren Ansichten und Glauben nicht passte.

Und das machte Katharina Zell besonders, da handelte sie anders als die meisten. Als sich viele ihrer Freunde in Glaubensfragen zerstritten und bekämpften, da kannte sie nur einen Maßstab: die Liebe. Sie hielt ihr Haus offen für Glaubensflüchtlinge und Verfolgte. Sie schrieb einmal: "Alle haben zu uns kommen dürfen. Was sind uns ihre Namen angegangen. Wir sind auch nicht gezwungen gewesen, ihrer Meinung und Glaubens zu sein. Wir sind aber schuldig gewesen, jedem Liebe und Barmherzigkeit zu erweisen, das hat uns Christus gelehrt.“ (5)

Klar, dass sie damit Gegner hatte, selbst in den eigenen Reihen. Sie hat das nicht stumm ertragen. Sie hat sich gewehrt, allein mit dem Wort.

Solche Spuren fremden Lebens inspirieren. In der langen Nacht des Deutschlandfunks gibt es mehr zu entdecken. Die Spur, auf die Katharina Zell mich bringt: für andere einzutreten ohne Ansehen der Person.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Literaturangaben:

  1. https://www.deutschlandfunk.de/programm?drsearch:date=2022-07-23
  2. Vgl. auch das Fest, das in Wittenberg jedes Jahr zu diesem Anlass gefeiert wird https://www.lutherhochzeit.de/
  3. 1523 im Straßburger Münster. Luther und Katharina von Bora heirateten erst am 13. Juni 1525.
  4. https://www.hessenschau.de/gesellschaft/wie-ein-priester-gegen-den-zoelibat-verstiess-und-gluecklich-wurde-,pfarrer-jan-kremer-100.html
  5. https://briefe.glaubensstimme.de/category/zell-katharina/ Zum Weiterlesen: http://frauen-und-reformation.de/index.php?s=bio&id=20