Autor Thomas Dörken-Kucharz hat einen besonderen Vornamen. Er teilt ihn mit einem der Jünger Jesu. Warum ihn sein Namensgefährte beeindruckt.
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Ich bin Jahrgang 1960, und ich heiße mit Vornamen Thomas. Damals war Thomas in Deutschland der beliebteste männliche Vorname. Heute liegt Thomas nur noch auf Platz 210.
Thomas war ursprünglich kein richtiger Name. Thomas war nur ein Zusatz zu einem Namen und bedeutet auf Deutsch schlicht "Zwilling". Man hieß also z.B. "Hans der Thomas", was so viel hieß wie: "Hans der Zwilling".
Aus dem Beiwerk wurde ein eigener Name, weil einer der Jünger Jesu ein Zwilling war, also "Thomas" genannt wurde. Dieser Thomas aus der Bibel wurde der ungläubige Thomas genannt. Wie es dazu kam, erzählt das Johannesevangelium: Nach seiner Auferstehung war Jesus den Jüngern erschienen. Thomas war nicht dabei. Als ihm die anderen Jünger begeistert davon erzählen, ist er nicht überzeugt: "Wenn ich nicht in den Händen von Jesus die Nägelmale sehe und lege meinen Finger in die Nägelmale (…), kann ich’s nicht glauben."
Eine Woche später sind die Jünger wieder versammelt, diesmal ist Thomas dabei. Der auferstandene Jesus erscheint und wendet sich direkt an Thomas. Er fordert ihn auf, wirklich die Finger in seine Wunden zu legen, damit Thomas sich überzeugen und glauben kann, dass Jesus vom Tod auferstanden ist.
Die Geschichte lässt offen, ob Thomas tatsächlich seine Finger in die Wunden von Jesus legt. Aber Thomas bekennt sich zu Jesus: "Mein Herr und mein Gott!" Und Jesus antwortet: "Weil du mich gesehen hast, darum glaubst du? Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!" (vgl. Johannes 20,19-29)
"Selig, die nicht sehen und doch glauben." Was für ein unseliger, ja unsäglicher Satz! Was Thomas macht, ist doch richtig. Nicht alles nachplappern. Nicht einfach glauben aufgrund von Hörensagen. Thomas will sehen. Und fühlen, berühren. Er fragt nach, er will‘s genau wissen. Die Menschen um ihn, seine Bubble, seine Blase behauptet etwas Aufregendes und Unglaubliches. Aber Thomas will die Quelle unabhängig und selbständig überprüfen. Seitdem hängt seinem Namen an, der ewige Zweifler zu sein. Aber ich, ich finde das wunderbar. Um es klar zu sagen, ich bin erstmal bei Thomas und nicht bei Jesus.
Denn wer verlangt, dass man glauben soll, was man wissen kann, öffnet Fake News, Populisten und Verschwörungserzählungen Tor und Tür. Das erleben wir ja zurzeit. Seriöse Medien werden verunglimpft und ihre Arbeit behindert. Journalisten sind plötzlich das letzte Pack, werden bespuckt und getreten.
Nach heutigen Maßstäben wäre Thomas der Journalist in der Runde der Jüngerinnen und Jünger. Katholisch gesprochen wäre Thomas für mich der Schutzheilige der Nachrichten-Redaktionen.
Thomas zeigt, wie Faktenchecken geht. Er prüft doppelt. Nur sehen genügt ihm nicht. Er will es betasten. Erst dann weiß er, dass es keine optische Täuschung ist. Thomas befolgte schon vor 2000 Jahren den grundlegenden journalistischen Standard: Nicht nur einem Sinn, einer Quelle vertrauen, sondern sich so umfassend wie möglich ein Bild machen.
Was wir dringend brauchen, sind nicht weniger, sondern mehr Thomasse. Und damit meine ich die Haltung: das Bemühen um Wahrheit, Vernunft und Glaube.
Jesus meinte mit seinem Satz "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben" kein Nachplappern. Er meinte etwas Anderes. Und in dieser Hinsicht stimmt der Satz: Es gibt wesentliche Dinge, die man nicht wissen und nicht beweisen kann. Dinge, die man nur glaubend erfahren kann. Und "glaubend erfahren" heißt, ihnen vertrauen, sich auf sie einlassen.
Man kann nicht beweisen, ob es Gott gibt oder nicht. Man kann nicht beweisen, ob zwei Menschen einander lieben. Und niemand kann beweisen, dass Jesus auferstanden ist. Jesus erscheint nicht mehr. Niemand kann mehr die Finger in seine Wunden legen. Und doch kann ich den Auferstandenen erfahren, wenn ich mich auf ihn einlasse. Ihm vertraue. Glaube. Handfeste Beweise habe ich dann keine, brauche ich auch nicht. Ein erfülltes Herz reicht mir.
Es gilt das gesprochene Wort.
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