Gedanken zur Woche

Gedanken zur Woche
Gedanken zur Woche
13.03.2015 - 06:35
13.03.2015
Pfarrerin Annette Bassler

Leider kam es zu einer Verwechslung im Deutschlandfunk:

Statt der Gedanken zur Woche von Pfarrerin Annette Bassler wurden noch einmal die Gedanken zur Woche des 13. Februar gesendet. Wir bitten dies zu entschuldigen.

Zu den Gedanken zur Woche von Pfarrer Jörg Machel, wie sie im Radio liefen, geht es: hier.

Die Gedanken zu dieser Märzwoche finden Sie unfreiwillig exklusiv hier, zum Anhören und Nachlesen. Wir wünschen einen guten Freitag den Dreizehnten.

 

 

 

Für mich hört die Welt jetzt am Gartenzaun auf! Mein Vater hat das mal gesagt, im Zorn. Jahrelang hat er sich in der Kommune engagiert und dann sind ihm seine Parteigenossen in den Rücken gefallen. Ab da war er nur noch Familienmensch.


Ich habe ihn damals gut verstanden. Wenn man sich für Andere einsetzt, in Kirche oder Kommune, in Nachbarschaft, Selbsthilfegruppe oder Verein, dann braucht man auch Unterstützung. Und vor allem: Beim Ehrenamt darf die Ehre nicht angetastet werden.

 

 

Und genau das ist in der letzten Woche passiert. In dem 3000 Seelen Dorf Tröglitz in Sachsen- Anhalt. Markus Nierth, der ehrenamtliche Bürgermeister hat versucht, mit den Tröglitzern die Unterbringung von 40 Flüchtlingen zu organisieren.

 

Aber es gab welche, die wollten nichts organisieren und nicht reden. Nicht einmal darüber, warum sie keine Asylanten wollten. Sie wollten nur demonstrieren.  Was gutes demokratisches Recht ist. Das allerdings genügte den Organisatoren dieser Demos nicht. Die NPD- Vertreter machten aus der Meinungskundgebung ein Drohszenario- eine Kundgebung vor dem Gartenzaun der Familie des Bürgermeisters mit seinen 7 Kindern. Das Schlimmste aber war, dass die Kreisverwaltung das alles durchgewunken hat. Deswegen hat Markus Nierth hingeschmissen.  Sein Amt als ehrenamtlicher Bürgermeister.  

 

Jetzt sind alle erschrocken. Auch die Tröglitzer. Denn die sind- wie Markus Nierth immer wieder betont- keine Nazis. Auch die Kreisverwaltung steht nicht unter NPD- Herrschaft. Wie konnte das passieren, dass ein Bürgermeister zur  persönlichen Zielscheibe von Neonazis wird?

 

Ich bin froh, dass viele Bundespolitiker, allen voran Bundesjustizminister Heiko Maas, die Dinge beim Namen genannt haben: Dass es „eine Tragödie für unsere Demokratie ist, wenn ein gewählter Bürgermeister wegen Anfeindungen von Neonazis zurücktreten muss.“

 

Aber war das wirklich so?

 

Musste er nicht eher zurücktreten, weil die Kreisverwaltung etwas nicht mitbekommen hat? Oder weil es eine schweigende Mehrheit in der Mitte gegeben hat, die nicht wirklich an die Demokratie glaubt, deren Welt in Wahrheit schon am Gartenzaun aufhört?

 

Markus Nierth zieht sich jetzt auch erst mal hinter seinen Gartenzaun zurück- was das ehrenamtliche Engagement betrifft. Aber ich bin überzeugt, der Theologe und Christ wird dort nicht bleiben.

 

Jesus hat gesagt:  Fühlt euch verantwortlich für die Schwächsten, die Geringsten unter euch. Er sagte nicht: für die Geringsten in eurer Familie oder „die Geringsten in eurem Dorf“. Er sagte: Kümmert euch um die Geringsten Menschen.  Darauf liegt ein Segen.

 

Als Jesus am Kreuz gestorben war, haben sich seine Jünger erst einmal hinter ihren Gartenzaun zurückgezogen. Aber dort haben sie sich an daran erinnert, wie erschütternd und berührend das war, Kranken und Flüchtlingen zu helfen. Wie ihr Herz gebrannt hat. Und das hat sich bis heute nicht geändert. Viele, die sich um Flüchtlinge kümmern, erzählen mit leuchtenden Augen, wie viel sie dabei lernen und wie gut das tut, dabei sein zu dürfen, wenn jemand nach langer Flucht ein bisschen auflebt und zur Ruhe kommt. Natürlich ist das nicht nur bequem, aber es weitet den Horizont und das Herz. Denn die Wertschätzung und Solidarität, die man verschenkt, kommt man tausendfach zurück.

 

Niemand muss enttäuscht und wütend seinen Gartenzaun von innen bewachen. Der ehrenamtliche Bürgermeister von Tröglitz, der sein Amt hingeschmissen hat, wird nicht im Privaten bleiben. Und ich hoffe, all die anderen, die sich derzeit ehrenamtlich engagieren, tun es auch nicht. Auch wenn sie manchmal viel Wut und Druck aushalten müssen. Das können sie aber nur, wenn sie die nötige Unterstützung bekommen. Von der Kreisverwaltung, von der Politik und von der schweigenden Mehrheit in der Mitte.

 

Nicht nur Markus Nierth, auch die Demokratie braucht mehr Freunde.

 

Aber wo sind sie? Und warum passieren solche Geschichten wie in Tröglitz?

Weitere Infos

13.03.2015
Pfarrerin Annette Bassler