Entschieden entscheiden - der Prophet Elia

Nachfolge-Christi-Kirche Bonn

Entschieden entscheiden - der Prophet Elia
Gottesdienst-Live-Übertragung aus der Nachfolge-Christi-Kirche in Bonn
20.03.2022 - 10:05
26.11.2021
Dekan Uwe Rieske
Über die Sendung

Die Entscheidung, loszugehen, ist manchmal wichtiger, als das gesetzte Ziel zu erreichen. Diesem Gedanken geht Dekan Uwe Rieske in diesem Gottesdienst nach. Mit musikalischer Gestaltung von Kantor Hubert Arnold mit Band und Chor und der Bonner Sängern Christine Handke.

 

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Predigt zum Nachlesen
 

Liebe Gemeinde,

 

eines der ersten Opfer von Gewalt ist die Wahrheit. In Konflikten, die unversöhnlich eskalieren und mit Waffen ausgetragen werden, ist jede Seite bis zuletzt von ihrem Recht überzeugt. Die Wahrheit des anderen darf man nicht zulassen. Denn dies würde bedeuten, die eigenen Ansprüche, das eigene Leben, den eigenen Glauben aufzugeben. Und wer angesichts der Gewalt eines anderen um das eigene Leben kämpft, wird immer von der eigenen Wahrheit überzeugt sein.

 

Dies ist eine Erfahrung, die nicht erst in diesen Wochen des Krieges entdeckt wird. Sie bestimmt auch die Geschichte des Propheten Elia im Alten Testament. Er hat erlebt, wie das ist, wenn das Gute auf der Strecke bleibt. Wenn Streit und Gewalt in die Irre führen. Wenn die eigene Kraft erschöpft ist und ein Ausweg nicht in Sicht.

 

Elia war ein Prophet, ein Mann Gottes, der vor fast dreitausend Jahren im Norden Israels wirkte. Mit jeder Faser seines Seins, so erzählt es das erste Buch der Könige, ist er durchdrungen vom Glauben an die Macht seines Gottes. Dem Gott Abrahams und Jakobs, der Israel in die Freiheit geführt hat, gilt Elias Überzeugung. Auf ihn setzt er sein Vertrauen, sein Leben, seine Mission. Elia kämpft für den Glauben an Jahwe, der allein Israels Existenz behauptet. Aber König Ahab, der zu Elias Zeit in Israel regiert, wendet sich mit seiner Frau Isebel einem anderen Gott zu. Das führt zu Streit. Der Wetter- und Fruchtbarkeitsgott Baal wird auch von den Nachbarvölkern Israels verehrt. Ahab und Isebel lassen die Propheten Jahwes töten. Der Glaube an den Gott Abrahams soll ausgelöscht werden in Israel. Elia beantwortet dies, indem er 450 Propheten Baals umbringen lässt. In seinem Eifer ist der Prophet sogar davon überzeugt, Gott stehe auf seiner Seite. Eine Spirale der Gewalt ensteht. Jeder ist von seinem Recht tief überzeugt und greift zur Gewalt, die viele Leben fordert. So wird es erzählt im Buch der Könige.

 

Und nun ist Elia auf der Flucht vor der Rache Isebels und Ahabs. Er flieht um sein Leben.

Elia will in Todesangst zum Berg Horeb gelangen. Seine Lage scheint ausweglos, zu stark die Macht seiner Feinde. Doch dann tritt Gott selbst auf den Plan.

 

Davon erzählt der Predigttext für den heutigen Sonntag:

 

Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte. Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast! Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort. Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Ginster und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.

Und er legte sich hin und schlief unter dem Ginster. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss! Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. Und der Engel des Herrn kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht. Und siehe, das Wort des Herrn kam zu ihm: Was machst du hier, Elia? Er sprach: Ich habe geeifert für den Herrn, den Gott Zebaoth; denn die Israeliten haben deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten danach, dass sie mir mein Leben nehmen.

Der Herr sprach: Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den Herrn! Und siehe, der Herr ging vorüber. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem Herrn her; der Herr aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der Herr war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen. Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle.

 

II

 

Von einer Gotteserfahrung erzählt Elias Geschichte. Gott erscheint, als Elia, müde und in Todesangst nur noch sterben will. Er hat versagt, alles verloren, so erscheint es ihm. Da reicht ihm ein Engel Gottes geröstetes Brot und einen Krug mit Wasser: Steh auf und iss! Und nach dem Engel erscheint Gott selbst. Nicht im starken Sturm, nicht im Erdbeben, sondern im sanften Säuseln des Windes. Und Elia tritt vor seine Höhle und schöpft Mut. Bereit steht er da für den weiteren Weg.

 

„Etwas Besseres als den Tod finden wir überall.“ – Diese Überzeugung der Bremer Stadtmusikanten kam mir in den Sinn über der Geschichte des Propheten Elia. Dieses Märchen der Brüder Grimm handelt davon, wie die Figuren der Geschichte den Mut finden für einen Weg, der aus Todesgefahr herausführt. Kein Prophet, kein Mensch, sondern ein alter Esel, ein in die Jahre gekommener Jagdhund und eine betagte, schwache Katze treffen auf einen Hahn, der in der Suppe landen soll. Das Leben dieser vier Tiere scheint aussichtslos, am Ende. Und der Hahn in seiner Todesahnung kräht, so lange er noch kann, aus Leibeskräften. „Weil morgen zum Sonntag Gäste kommen, so hat die Hausfrau der Köchin gesagt, sie wollte mich morgen in der Suppe essen, und da soll ich mir heut abend den Kopf abschneiden lassen. Nun schrei ich aus vollem Hals, solang ich kann." So weit der Hahn.  - "Ei was, du Rotkopf," sagt der Esel, "zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas Besseres als den Tod findest du überall; du hast eine gute Stimme, und wenn wir zusammen musizieren, so muß es eine Art haben." Der Hahn lässt sich den Vorschlag gefallen, und sie gehen alle vier zusammen fort, Richtung Bremen.

 

Aber dort kommen sie niemals an, in Bremen und werden auch nicht Musikanten, wie es der Titel des Märchens erwarten lässt. Sie machen keine Musik, nicht ein einziges Mal. Die vier so verschiedenen, alten Tiere werden, folgt man der Erzählung, niemals zu Bremer Stadtmusikanten. Sie finden ihr Ziel bereits lange vorher auf dem Weg. Dass sie Bremen nicht erreichen, macht gar nichts. Entscheidend ist der Entschluss, aufzubrechen, und die Entschlossenheit, gemeinsam zu handeln. Ihr Weg ist ihr Ziel. Es reicht, sie zu erkennen und zu ergreifen, die Chance, gemeinsam stark zu sein. In solcher gemeinsamen Entschiedenheit überwinden die vier Tiere mitten in finsterer Nacht die Räuber im Wald und schlagen sie in die Flucht.

 

Was verbindet den Propheten Elia auf seiner Flucht mit dem Weg der sogenannten Bremer Stadtmusikanten? Eine Entdeckung haben sie gemeinsam: Wenn die Lage aussichtslos geworden ist, braucht es Zuspruch und Bestärkung von anderer Seite. Wenn man in Todesangst flieht, braucht es Zuwendung, die einen überleben lässt und Wege, Auswege zeigt.

 

Das können im Märchen andere sein, die in vergleichbarer Lage sind. Zieh lieber mit uns fort, sagen Esel, Katze und Hund zum Hahn. So verschieden sie auch sind, entsteht eine solidarische Schicksalsgemeinschaft. Sie machen sich gemeinsam auf den Weg und geben einander Kraft. Durch Katzenmusik, Eselsgeschrei, Hundegebell und das Krähen eines alten Hahnes werden die Räuber in ihrer Hütte erschreckt, überwunden und vertrieben. Musikalisch ist das Nicht. Ihre Entschiedenheit siegt dennoch unter Einsatz dessen, was sie können.

 

Wie ist es bei Elia? Wie ist es bei uns?

 

III

 

Zurück zu Elia. Müde und in Todesangst sieht er seinen Weg am Ende. Er will aufgeben. Aber ein Engel reicht ihm in auswegloser Lage Brot und Wein und sagt: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.

 

Wo ist Gott? Was ist Sein Wille? Wie geht das alles jetzt weiter?

 

Um Gottes Willen zu erkennen und ihm zu folgen, so erzählt Elias Geschichte, braucht es gutes Gehör und feinen Sinn – und Augen für eine Wahrheit, die nicht mit Getöse und Gebrause und im auflodernden Feuer daherkommt, sondern im leichten Wind, dem man kaum Beachtung schenkt.

 

Gott ist im Gespräch mit Elia. Auf dem Berg Karmel, auf dem ihm Elia ein Opfer dargebracht hat. Er beantwortet den Glauben des Propheten, schenkt ihm Gewissheit, führt ihn seinen Weg. Gott schickt Engel in seine ausweglose Situation, mitten in Elias tiefe Niedergeschlagenheit und richtet ihn auf. Er zeigt sich im leichten, sanften Säuseln des Windes. Ihn in den leisen Tönen wahrzunehmen, das ist die Aufgabe und Kunst. Vielleicht bemerken wir Gott nur, wenn wir aufmerksam bleiben und alle Sinne aufsperren für das, was leise, ganz unscheinbar ermutigt. Und damit rechnen.

 

Gott handelt, wo menschliche Kraft am Ende ist. Wo alles ausweglos scheint. Auch angesichts des Krieges in der Ukraine scheint absehbar kein friedliches Ende in Sicht. Aber ich höre, wie eine junge Frau aus der Ukraine sagt: Wir bleiben hier. Wir versammeln uns in unserer Kirche. Wir beten zu Gott, dass er uns durch diese schwere Zeit trägt. Er hat uns schon oft durch schwere Zeiten getragen.

 

Ihre Worte zeigen es: Gegen alles, was sich erwarten und was sich vorausplanen lässt, braucht es offene Sinne und Mut für das Gespräch mit Gott, für eigene Ressourcen und das Vertrauen, mit Gott einen Weg zu gehen, hinein in die Zukunft. Mit dem, was man hat und kann und mit dem, was einem gereicht wird und was man sich nicht selbst geben kann.

 

Standhaft bleiben und entschieden entscheiden. Viele Menschen stellen sich dem, was ist. Die Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen, rührt mich. Die Entschiedenheit, den Menschen in der Ukraine beizustehen, ist immens. Was Ihr getan habt einem dieser meiner geringsten Geschwister, das habt Ihr mit getan, haben wir vorhin im Evangelium gehört. Dies ist der Maßstab, an dem sich das Handeln ausrichtet und unsere Entscheidungen auch. Behalten wir die Menschen und die Menschlichkeit im Blick. Sie ist der Maßstab für unsere entschiedenen Entscheidungen.

 

Damit lässt sich aufbrechen. Und leben. Und glauben. Solidarisch sein. Und der Zukunft entgegenschreiten. Im Vertrauen auf Gott, dessen Macht sich erweist: Ich werde sein, der für dich da ist. So zeigt er sich dem Mose, schickt Engel, ernährt Elia und führt auch uns. Heute und morgen auch.

 

Amen

 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

26.11.2021
Dekan Uwe Rieske