Evangelischer Rundfunkgottesdienst am Sonntag Trinitatis, 15. Juni 2025, aus der Ludwigskirche in Saarbrücken, live auf SR Kultur und im Deutschlandfunk, ab 10.05
Die Ludwigskirche in Saarbrücken ist das Wahrzeichen der Landes-hauptstadt und eines der bedeutendsten Bauwerke des Saarlandes.
Sie feiert in diesem Jahr ihren 250. Geburtstag. Sie gilt als eine der schönsten evangelischen Barockkirchen in Deutschland.
Die Ludwigskirche war im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört worden. Sie wurde nach dem Krieg so weit wie möglich originalgetreu rekonstruiert. Die Ökumene und die Themen Versöhnung und Verständigung spielen in der Arbeit der Gemeinde eine besondere Rolle. 2019 wurde die Kirche in die Internationale Nagelkreuzgemeinschaft von Coventry aufgenommen. Seit 2021 ist die Ludwigskirche Pilgerstation am Jakobsweg sowie am Projekt "Sternenweg".
Pfarrer Thomas Bergholz spricht in seiner Predigt über die besondere Gestalt der Kirche. Er nimmt Bezug zum Trinitatis-Fest und dem Jubiläum des großen ökumenischen Glaubensbekenntnisses von Nizäa, das im Jahre 325 formuliert worden war. Weitere Textbeiträge übernehmen Petra Thiel und Elisabeth Scheidhauer.
Der Gottesdienst wird musikalisch gestaltet vom Figuralchor der Ludwigskirche, Leitung und Orgel: Kirchenmusikdirektor Ulrich Seibert. So wird u.a. die Spruchmotette "Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt" des saarländischen Komponisten Johannes Driessler zu hören sein.
Lieder des Gottesdienstes:
1. EG 140, Strophen 1 bis 5: Brunn alles Heils
2. EG 177, Strophe 2: Ehr’ sei dem Vater und dem Sohn
3. EG 178, Strophe 3: (eleison) Herre Gott, erbarme dich
4. EG 179, Strophen 1 bis 4: Allein Gott in der Höh sei Ehr
5. EGplus 89, Strophen 1 bis 4: Du bist da, bist am Anfang der Zeit
6. EG 181, Strophe 3: Halleluja
7. EG 138, Strophe 1: Gott der Vater steh uns bei
8. EG 138, Strophe 2: Jesus Christus steh uns bei
9. EG 138, Strophe 3: Heilig Geist der steh uns bei
10. EG 139, Strophen 1 bis 5: Gelobet sei der Herr
Predigt nachlesen:
I
Liebe Hörerinnen und Hörer! Liebe Schwestern und Brüder,
spielt die Frage nach der Dreieinigkeit oder Dreifaltigkeit Gottes für Ihren Glauben eine Rolle?
Ich vermute: Wenn wir eine Umfrage machen würden, wäre das Ergebnis, dass das den allermeisten unter uns relativ egal wäre. Sicher: in meinem ganz persönlichen Glauben, bei meinem persönlichen Gottesbild spielen die einzelnen Personen der Dreifaltigkeit durchaus eine Rolle, die sich auch mal ändern kann, je nach Situation. Manchmal ist mir Gott als Schöpfer/Schöpferin besonders wichtig. Manchmal ist mir Jesus, der mein Bruder ist, ganz besonders nah. Manchmal bete ich um oder spüre sogar etwas von Gottes Geistkraft in meinem Leben, meinem Alltag. Der einen oder dem anderen von Ihnen geht das wahrscheinlich ähnlich. Aber spielt es für mich eine Rolle, wie ich mir dann diese Dreifaltigkeit theoretisch, metaphysisch, philosophisch, theologisch denken, vorstellen muss oder kann? Eher nicht.
Dass das durchaus auch anders sein kann, auch heutzutage im 21. Jahrhundert, habe ich selbst erlebt. Als Dozent an einer theologischen Hochschule in Indonesien habe ich erfahren, dass es für die christliche Minderheit im größten muslimischen Land der Welt sogar eine ganz wesentliche Frage ist. In fast jedem Gespräch mit Muslimen, in dem die Rede auf den Glauben kam, kam irgendwann dieser Satz:
Ihr Christen seid gar keine Monotheisten. Ihr glaubt nicht an den Einen Gott, ihr habt ja drei Götter.
Ich habe dann folgenden Vergleich versucht. Achtung: der ist streng genommen christlich-theologisch nicht ganz korrekt. Aber als Bild, als Vergleich taugt er trotzdem. Im Islam gibt es die Tradition der "99 Namen Allahs". Ein Ausspruch Mohammeds, ein Hadith, der nicht im Koran selbst steht, besagt:
"Allah hat 99 Namen, 100 weniger eins, und wer sie kennt, geht in das Paradies ein."
Und welche sind nun diese Namen?
der Gerechte, der König, der Barmherzige, der Richtende, der Erhabene, der Beschützer, der Unterwerfende, der Schöpfer, der Verzeihende, der Geber, der Allwissende, der Erste, der Letzte ...
und so weiter. Alle diese Namen oder besser: Bezeichnungen benennen einen Aspekt Gottes, eine Art und Weise, wie er sich uns zuwendet, wie er von Menschen erfahren wird: mal abweisend, mal sich zuwendend; mal streng, mal barmherzig, mal liebevoll, mal richtend.
Jede dieser 99 Namen Allahs ist zutreffend, aber keine für sich allein beschreibt Gott allumfassend. So kann man sich vielleicht hilfsweise auch die Trinität vorstellen: wie Gott mir in einer konkreten Situation begegnet: Mal als liebender Vater, als liebende Mutter; mal als Bruder an meiner Seite; mal als Kraft aus der Höhe.
Wie gesagt: streng genommen hinkt dieser Vergleich mit der islamischen Tradition, aber es ist eben auch nur ein Vergleich.
II
Im 4. Jahrhundert hatte die Kirche ein ähnliches Problem, wie es mir im Gegenüber zum Islam begegnet ist: Wie können wir von dem einen Gott reden und zugleich davon, dass Jesus Gottes Sohn ist, und auch der Heilige Geist Gott selbst ist. Die Kirchenväter jener Zeit – Kirchenmütter in diesem Sinne gab es nicht – bissen sich daran fast die Zähne aus und gerieten in allerheftigsten Streit. Der konnte übrigens bei Versammlungen und Synoden auch handgreiflich werden, man war damals nicht zimperlich.
Im Jahre 324 war Kaiser Konstantin zum Alleinherrscher im römischen Reich aufgestiegen. Er hatte seinen letzten Rivalen besiegt. Nach Jahrzehnten der geteilten Machtsphären gab es nur noch einen Kaiser. Schon früh hatte Konstantin auf das junge Christentum gesetzt und es sicher auch aus politischen Gründen gefördert. Er versprach sich von einer starken, einheitlichen Religion auch eine starke Zentralregierung. Das drohte nun an den inneren Streitigkeiten der Kirche zu scheitern. Insbesondere stritten die Bischöfe um die Trinitätslehre. Manche betonten die Einheit Gottes, manche die Verschiedenheit der drei Personen Vater, Sohn und Geist, manche sprachen dem Sohn sogar ab, gottgleich zu sein. Das konnte der Kaiser nicht gebrauchen. Und so lud er im Jahr 325 alle Bischöfe des Reiches zum Konzil ein, damit sie eine Einigung finden sollten. Als Ort wählte er die Stadt Nizäa, das heutige Iznik südlich von Istanbul. Der Kaiser selbst nahm starken Einfluss auf die Verhandlungen. Die inhaltliche Lösung war ihm wahrscheinlich weniger wichtig. Wichtig war ihm, dass die Kirche einheitlich und geschlossen agierte.
Als Ergebnis wurde ein Glaubensbekenntnis formuliert, das berühmte Glaubensbekenntnis von Nizäa. Das etwas ältere sogenannte Apostolische Glaubensbekenntnis, das sonntags im Gottesdienst und bei Taufen gesprochen wird, reichte nicht aus, denn es macht an den entscheiden Stellen zur Frage nach dem Wesen des Sohnes keine Aussagen.
Der Streit war mit dem Bekenntnis von Nizäa übrigens nicht gelöst. Wie das mit Kompromisstexten oft so ist: Jede Seite kann da ihre eigene Sicht hineininterpretieren und nachher sagen: "Ist ja genau das, was wir immer schon gesagt haben!"
So auch mit diesem Glaubensbekenntnis von Nizäa. Der Streit ging noch Jahrzehnte weiter, und erst 381 wurde auf dem nächsten Konzil in Konstantinopel das Thema endgültig abgeschlossen.
Das Glaubensbekenntnis wurde an einigen Stellen noch einmal leicht umformuliert und erhielt die Fassung, die wir gerade eben auch miteinander gesprochen haben.
Der entscheidende Absatz ist dabei der am Beginn des zweiten Abschnittes:
Wir glauben an den einen Herrn Jesus Christus,
Gottes eingeborenen Sohn,
aus dem Vater geboren vor aller Zeit:
Gott von Gott,
Licht vom Licht,
wahrer Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen.
III
"Licht vom Licht". Das ist Jesus Christus. Auch Friedrich Joachim Stengel, der Architekt der Ludwigskirche, hat diesen Text natürlich gekannt. Er hat ihn, wie so viele andere biblische und theologische Anspielungen, in diese Kirche mit hineingebaut.
Wenn Sie, die hier in der Kirche sind, nach oben schauen, sehen Sie, wovon ich spreche. Unsern Zuhörer/innen am Radio versuche ich es zu beschreiben. Die Ludwigskirche hat einen kreuzförmigen Grundriss mit fast gleichlangen Armen, sie ist ein Zentralbau. In der Mitte wird sie von einer Kuppel überwölbt. In der Mitte der Kuppel befindet sich ein goldener Strahlenkranz, der die Sonnenstrahlen darstellt. In der Mitte der Sonne ist ein sogenanntes "Auge Gottes", ein Dreieck mit einem Auge in der Mitte. Die drei Seiten des Dreiecks sind schon seit dem Mittelalter ein Symbol für die Dreifaltigkeit.
Da ist also Gott im Licht und aus dem Licht, und es ist der dreieinige Gott, der über uns wacht.
Zugleich steht die Ludwigskirche aber auch im Zentrum und im Schnittpunkt der barocken Neustadt Saarbrückens. Drei große städtebauliche Sicht-Achsen (drei!) verbinden das barocke Schloss mit den beiden damaligen evangelischen Kirchen und der Sommerresidenz auf dem Ludwigsberg. Und diese Achsen schneiden sich auf dem Ludwigsplatz, genau in der Mitte der Kirche im Auge Gottes.
So sagt uns dieses Gebäude auch heute: Gott ist nicht nur Licht vom Licht, er ist auch das Zentrum, die Mitte von allem – "durch ihn ist alles geschaffen."
So findet jede Zeit ihre Sprache, um sich dem Geheimnis des dreieinigen Gottes zu nähern. Die Bischöfe und Kirchenväter des 4. Jahrhunderts formulieren ein Glaubensbekenntnis, das bis heute in allen christlichen Kirchen der Welt gültig ist.
Friedrich Joachim Stengel baut seinen eigenen Glauben nicht nur in diese Kirche hinein. Er bezieht die ganze Stadt, die Welt, in der die Menschen leben, in diesen Glauben ein. Wie die Muslime sich dem Geheimnis Gottes mit den 99 Namen Allahs zu nähern versuchen, so nähert er sich diesem Geheimnis des allumfassenden Schöpfergottes, des gegenwärtigen Sohnes und lebendig machenden Geistes mit seiner eigenen Kunst, der Architektur.
Und so lade ich Sie alle ein, auf diese Frage Ihre eigene Antwort zu finden: Welcher Aspekt Gottes ist mir heute wichtig, wird mir morgen wichtig sein? Welchem Namen, welcher Person der Dreieinigkeit fühle ich mich nahe oder andersherum: Wo fühle ich die Nähe Gottes? Und wie, als was fühle ich diese Nähe dann: Die Nähe des Schöpfers, zum Beispiel in der Schönheit der Natur? Das Angesicht meines Bruders Jesus in jedem Menschen, der mir da draußen begegnet, insbesondere denen, die meine Nähe und Hilfe brauchen? Oder wenn ich um Gottes Beistand bete, um die Kraft seines Geistes, die mich erfüllt und mit allen meinen Geschwistern im Glauben verbindet.
So können wir die abstrakte Frage nach der Dreieinigkeit Gottes, die wir allein mit unserm Verstand sowieso nicht klären können, vielleicht doch beantworten. Jeder und jede von uns auf ihre und seine persönliche Art und Weise. Dazu helfe uns der dreieinige Gott.
Amen.
Weiterführende Informationen zur Sendung:
Informationen der Stiftung Ludwigskirche
Informationen zum saarländischen Komponisten Johannes Driessler auf wikipedia
Verkündigungssendungen im Saarland - Kirche auf Sendung
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Evangelischer Beauftragter beim Saarländischen Rundfunk
Landespfarrer Jörg Metzinger
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