St.-Johannes-Kirche in Blumberg-Kommingen
"Füreinander da!"
Gottesdienst-Live-Übertragung aus der St.-Johannes-Kirche in Blumberg-Kommingen (Alt-Katholisch)
19.06.2022 10:05
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Predigt zum Nachlesen
 

Liebe Gemeinde, liebe Hörerin, lieber Hörer!

"Schön, dass Du Dich meldest. Schön, dass Du da bist."

Es tut gut, wenn ich das höre. Und es tut gut, wenn ich das sagen kann. Viele meiner Freundinnen und Freunde leben mittlerweile hunderte von Kilometern weit weg. Da sieht man sich nicht so häufig. Aber wenn es dann ein Wiedersehen gibt, dann merke ich: wir sind tief miteinander verbunden. Solch eine Verbindung kann Jahre und alle Kilometer überstehen. Manchmal behaupten Menschen: Ich spüre, da hat jemand an mich gedacht. Ganz ohne Telefon oder Treffen. Das habe ich schon ganz ähnlich erlebt: ich rufe bei jemandem an und der oder die sagt, dass sie gerade an mich gedacht hat. Der Anruf, davon bin ich überzeugt, hat dann nichts mit Hellseherei zu tun. Sondern mit einer tiefen, echten Verbundenheit. "Schön, dass Du Dich meldest. Schön, dass Du da bist."

Es gibt diese Verbundenheit auch untereinander, in der Gemeinde hier vor Ort. Davon haben wir gehört, zu Beginn des Gottesdienstes. Gemeindemitglieder erzählen, wie sie sich mit unserer alt-katholischen Kirchengemeinde verbunden fühlen. Was uns eint, sind nicht die immer gleichen Fragen und Antworten. Oder exakt dieselben Bedürfnisse. Diese Verbundenheit sieht jeweils unterschiedlich aus. Was eint ist: All das hat seinen Platz und seinen Wert.

In der ersten Phase der Pandemie vor zwei Jahren habe ich häufig mit Gemeindemitgliedern telefoniert. Als Zeichen der Verbundenheit. Viele waren für diese kurzen Gespräche dankbar. Andere haben ihre Verbundenheit ganz praktisch gelebt. Sie gingen füreinander Einkaufen, haben sich zum gemeinsamen Spaziergang verabredet. Und manchmal auch zu einem verstohlenen Treffen, das eigentlich nicht erlaubt war im Lockdown. Die Verbundenheit ist wichtig. Und manchmal sogar wichtiger als alle guten Regeln. Das hat für mich viel mit Gemeinschaft, mit Solidarität zu tun. Die hält zusammen und es muss dabei auch gar nicht unbedingt fromm zugehen. Es war hier neben allen Schwierigkeiten spürbar, dass Menschen füreinander da sind. Da waren Menschen für diejenigen da, die eine Begegnung gerade in dem Moment gebraucht haben. Das war und bleibt eine wichtige Erfahrung. Die Corona-Einschränkungen haben gezeigt, was wirklich wichtig ist.

Einige Verbindungen haben sich in der Zeit der Pandemie auch gelöst, in der Gemeinde. Eine echte, tiefe Verbindung ist immer auch eine Entscheidung. Das gehört zum Leben dazu. Für mich hat das mit Freiheit in dieser Verbundenheit zu tun. In der Begegnung mit Menschen aus anderen Ländern oder auch mit einer anderen Art zu leben kommen Menschen an Grenzen. Im Hintergrund stehen dann oft Ängste und Fragen: Wie verbindlich ist mein Verständnis von Kultur und Lebensweise? Wie tolerant bin ich, wenn jemand anders lebt? Wie bereit bin ich von dem, was mir gehört, etwas abzugeben?

 

Die große Bühne der Weltpolitik ist uns mit dem Krieg in Europa gerade beängstigend nah gekommen. Viele sicher geglaubte Verbindungen lösen sich auf. Mit Tod, Gewalt und Bedrohung, mit fehlendem oder blockiertem Getreide und gestörten Lieferketten werden Verbindungen zerstört, nicht nur durch zerbombte Straßen und Eisenbahngleise. Hier stehen nicht mehr nur wirtschaftliche Beziehungen auf dem Spiel, sondern Menschenleben. Zwischen Menschen und Völkern, die sich nahe waren, wurde und wird mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine ein Keil getrieben. Momentan kann ich mir nicht vorstellen, wie ein "Danach" nach dem Krieg in der Ukraine aussehen kann. Politisch zeigt sich – nicht jede Verbindung ist gut. Die weltweite Vernetzung, die Abhängigkeit zum Beispiel bei den Energielieferungen hat todernste Folgen.

Wenn ich das auf mein Leben und meine Beziehungen herunterbreche, nehme ich beide Seiten wahr: Auf der einen Seite die positiven, persönlichen Erfahrungen von Verbundenheit, gerade auch in schwierigen Zeiten. Auf der anderen Seite sehe ich: Verbundenheit und Verbindungen sind zerbrechlich. Und, wenn sie zu sehr abhängig machen, auch bedrohlich. Was kann ich und was kann eine christliche Gemeinde dazu beitragen, dass Menschen füreinander da sind?

Der Brief des Paulus an die Gemeinde in Galatien beschreibt die tiefe Verbundenheit der Christen seiner Zeit. Diese frühen Christen erfuhren sich als Teil der griechischen Kultur, in der sie lebten. Ihr Glaube an Christus stellt aber manche der gewohnten Verhaltensweisen in Frage. Und diese Fragen klingen erstaunlich aktuell: Wie lebe ich als Christin, als Christ mitten in einer Welt, die anders denkt und fühlt? Was verbindet mich mit den anderen Gläubigen? Und was verbindet mich mit Nichtgläubigen?

Paulus hat diese Fragen damit beantwortet, dass die Menschen durch Christus miteinander verbunden sind. Durch die Taufe werden die Christen zeichenhaft miteinander und mit Jesus Christus verbunden. Die Taufe ist also das einende Band der Christen über kulturelle Unterschiede hinweg. Bis heute auch über die Unterschiede christlicher Konfessionen hinweg. Da spielen die Trennungen in Geschlechter, soziale Gruppen und Schichten und christliche Konfessionen keine Rolle mehr. Diese Verbundenheit gibt es in Gemeinden bis heute. Im Zusammenleben machen sie den Glauben und die Verbindung mit Gott erfahrbar und greifbar. Und gleichzeitig stehen die Kirchen, die Gemeinden und jeder Christ und jede Christin vor der Frage, wie sie für alle Menschen da sein können und wie sie das Füreinander fördern können.

Paulus ermutigt die Christen, für Jesus Christus einzustehen. Auch in schwierigen Zeiten und in einer vielfältigen Kultur. Darum geht es Paulus immer wieder, das ist seine Botschaft. Ohne diesen Jesus und seine Lebensbotschaft geht es in der Gemeinde nicht. Paulus ist überzeugt, dass es im Zusammenleben besser geht in der Verbindung mit Jesus Christus. Das ist mehr als nur das Gefühl zusammenzugehören. Das ist eine Orientierung über alle Unterschiede hinaus. Für Paulus ist diese Einheit so tief, dass in der Gemeinde Gott spürbar wird. Gleichzeitig ist Paulus Realist genug, dass er um die Grenzen der Menschen weiß. Die Gemeinde der Christen damals wie heute ist nicht einfach eine Einheit, in der es keine Unterschiede mehr gibt. Aber diese Unterschiede müssen nicht trennen, sie können bereichern. Jede und jeder kann seinen Teil beitragen. Verbunden mit Jesus kann ich frei und offen für andere Menschen sein. Für Menschen, die vielleicht gerade jetzt die Begegnung brauchen, in der nicht gefragt wird: Wo kommst du her? Was bringst du mit? Ist in deinem Leben alles in Ordnung?

 

"Schön, dass du dich meldest. Schön, dass du da bist." Solche Worte sind gar nicht nur der Nachweis einer tiefen, echten Verbundenheit. Sondern doch viel mehr der Anfang einer solchen Verbundenheit. Wenn ich Paulus richtig verstehe, geht es ihm um eine Verbundenheit über Unterschiede und Grenzen hinweg. Es geht um eine Verbundenheit, die niemand herstellen muss: Weil sie von Gott geschenkt wird! Diese Verbundenheit zu spüren und in ihr zu leben – das wünsche ich mir, für unsere Gemeinden, für unsere Gesellschaft und für die Welt.

 

Amen

 

Es gilt das gesprochene Wort.

Dlf Gottesdienst