Prickelnd und umsonst…

Evangelisch-methodistischer Rundfunkgottesdienst aus der Christuskirche in Stuttgart-Bad Cannstatt

Bild: Gemeinde Bad Cannstatt

Prickelnd und umsonst…
Evangelisch-methodistischer Rundfunkgottesdienst aus der Christuskirche in Stuttgart-Bad Cannstatt
01.01.2018 - 10:05
13.12.2017
Pastor Hartmut Hilke
Über die Sendung

Prickelnd und umsonst...

„Prickelnd und umsonst“ – das Motto des evangelisch-methodistischen Gottesdienstes am Neujahrsmorgen nimmt die Jahreslosung für 2018 auf. „Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst“ (Offenbarung 21,6). Das Thema Wasser passt wunderbar nach Bad Cannstatt, das schon seit mehr als hundert Jahren für sein gesundes „Sauerwasser“ bekannt ist. Dass bewegtes Wasser nicht nur gesund ist, sondern auch ein Symbol für die unsicheren Zeiten im Leben sein kann, erläutert Pastor Hartmut Hilke in der Predigt. Dazu malt er den Hörern ein Bild vor Augen, das der Cannstatter Künstlers Leo Sulzberger zur Jahreslosung gestaltet hat. Denn Gott bietet nicht nur an, in Zeiten der Not zu erfrischen, er stellt sich auch selbst  zur Verfügung: als Brücke über die Untiefen des Lebens.

 

Die kleine Christuskirche in der Daimlerstraße ist ein Schmuckstück aus Sandstein, das eigentlich so gar nicht in die eher von industrieller Geschäftigkeit dominierte Cannstatter Landschaft passt. Vielleicht wird sie gerade dadurch zur Oase in einer von Konsum und Ruhelosigkeit bestimmten Zeit und vermittelt ihren Besucherinnen und Besuchern etwas von dem großartigen Angebot Gottes, „prickelnd und umsonst“. 

 

Gottesdienst nachhören

 

Den Gottesdienstmitschnitt finden Sie auch direkt unter http://www.deutschlandradio.de/audio-archiv.260.de.html?drau:broadcast_id=122

Predigt zum Nachlesen
 

Liebe Zuhörende – in der Christuskirche und am Radio!

Nun ist er schon vorbei, der Jahreswechsel von 2017 zu 2018. Der Lärm der Böller ist verhallt. Der Rauch der Raketen hat sich verzogen. Die Tischfeuerwerke sind abgebrannt, die ersten Neujahrswünsche ausgetauscht und zugesprochen. Dennoch kann man die Welt um 10 Uhr am Neujahrsmorgen noch „jungfräulich“ nennen. Wir haben das neue Jahr noch kaum betreten. Allerdings sind auch die neuen Kalender nicht mehr ganz leer. Viele Termine sind geplant – vielleicht hat auch schon jemand seine Urlaubstermine eingetragen und an Vorgesetzten oder Kolleginnen weitergegeben.

Mit dem Neujahrstag jedoch lassen wir vielleicht auch manch ungute Erfahrung und Erinnerung ans vergangene Jahr leichter und lieber hinter uns. Neujahr markiert einen Neuanfang. Das neue Jahr hat begonnen, die „schöne Neujahrspforte wird aufgetan“.

 

Für jedes neue Jahr wählt die Ökumenische Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen auch ein neues Jahresmotto – Jahreslosung genannt. Diese Jahreslosung kann uns übers Jahr hinweg begleiten. Sie kann sich einprägen und von Zeit zu Zeit auch wieder „aufpoppen“. Blitzartig kehrt sie ins Erinnern zurück und macht auf bestimmte Dinge aufmerksam.

Im Jahr 2018 lautet sie:

 

„Gott sprach: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des leben-digen Wassers umsonst“ (Off. 21,6).

 

„Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst“ – dieser Satz steht auch auf der Karte, die vor mir liegt. Sie wird dominiert von einem rot eingefärbten Kreuz vor einem Hintergrund, der mich an bewegt-blaues Wasser denken lässt. Leo Sulzberger, ein Cannstatter Christ, gestaltete die Karte. Er schreibt zur Gestaltung:

„Das Bild der Jahreslosung ist auf Glas mit blauer Acrylfarbe gemalt. Gegen das Sonnenlicht fotografiert, beginnt die Wasserfläche zu glitzern. In dies Bild hinein habe ich ein rotes Kreuz gelegt und den Text geschrieben: ‚Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst‘.“ Soweit die Gedanken des Künstlers zum Entstehen des Motivs.

 

Vom „lebendigen Wasser“ spricht der Bibeltext – nicht von einem stehenden Gewässer, einem Brackwassertümpel oder Kanal. Es ist ungebändigtes Wasser. Wasser, das lebensnotwendig ist, aber auch lebensbedrohlich werden kann. Wasser ist für den Menschen im Orient eine überaus kostbare Gabe – wenn sie aus einer Quelle oder einem tiefen Brunnen kommt. Aber Wasser kann nach heftigen Regenfällen auch zur wahren Sturzflut werden! Und das Meer war für den antiken Menschen kein Ort zum erholsamen Urlauben, sondern zum Fürchten. Verwandelte eine Regenzeit ausgetrocknete Bachläufe in reißende Sturzbäche, brauchte man feste Brücken, um von einem Ufer ans andere zu gelangen. Darauf, so Leo Sulzberger, soll das „rote Kreuz“ in seinem Motiv hinweisen. Es ist für ihn nicht nur das Symbol des Leidens Christi, sondern auch eine „Brücke über unruhige Wasser“, eine „Bridge over troubled Water“, die Leo Sulzberger dann braucht, wenn er aufgrund seiner Krankheit nachts nicht schlafen kann und dann seinem Glauben künstlerisch-kreativ Ausdruck verleiht.

 

 

 

Eine Brücke über unruhige Wasser will die Jahreslosung für uns sein. „Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen von der Quelle des lebendigen Wassers geben – umsonst“!

Diese Worte entstammen dem letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes. Manche Menschen mögen die Texte der Offenbarung nicht – sie erschließen sich ihnen nicht. Sie erscheinen ihnen eher wie „ein Buch mit sieben Siegeln“. Aber es gibt darin auch Texte, die gut verständlich sind. Sie wirken tröstlich und ermutigend zugleich.

Tut es nicht gut, am Jahresanfang zu hören: „Ich bin das A, das Alpha und das O, das Omega. Deshalb bin ich auch Anfang und Ende“?

Gott legt sich mit diesen Worten wie eine Brücke über das gerade angefangene Jahr 2018. Die griechischen Buchstaben „Alpha und Omega“ sind Anfang und Ende des griechischen Alphabets. Damit wird deutlich: Gott steht nicht nur ratlos-gespannt am Anfang eines Jahres, eines Lebens, einer Weltzeit. Er ist auch nicht nur der Schlusspunkt einer langen, manchmal mühseligen Entwicklung. Sondern Gott als „Alpha und Omega“, als „Anfang und Ende“ umspannt, überbrückt das gesamte Geschehen.

 

Für diese vollständige Zeitspanne haben wir den Begriff „Ewigkeit“ gefunden. Dass „Gott ewig sei“, wird oft behauptet – obwohl manche auch meinen, dass „Gott schon lange tot sei“. Aber was „Ewigkeit“ eigentlich heißt, ist oft nicht recht klar. Spreche ich von Gottes Ewigkeit, heißt das: Gott überblickt nicht nur meine 55jährige Lebensspanne von Anfang bis Ende. Sondern Er überblickt die gesamte Weltgeschichte – beginnend bei ihren Uranfängen bis hin zum allerletzten Ende. Wichtig ist mir zudem: Obwohl ich auf diesem urlangen Zeitstrahl nur ein winziges Pünktchen bin, ist Gott an mir und meinem Leben interessiert. Er möchte wissen, wie es mir geht, was ich denke, fühle und will. Er möchte etwas von meinen Hoffnungen und Wünschen, meinen frohen oder bangen Erwartungen am Jahresanfang erfahren.

Dieser Gott hat „Anfang und Ende“ im Blick. Aber Er sieht auch all das, was sich zwischen Anfang und Ende im Leben Seiner Menschen und Seiner Welt abspielt. Er nimmt meinen Lebensmut ebenso wahr wie meine Verzagtheit. Er sieht, wo und wie ich mich freue; Er sieht, wo ich leide und wie ich trauere. Denn so wird es sein: Dies neue Jahr wird Erlebnisse für mich bereithalten, die mich jubeln oder trauern lassen; die mich erfreuen oder belasten, bedrücken.

In beiden Situationen könnte ich eine Jahreslosungs-Erfahrung machen: Ich erlebe den ewigen Gott, der Selbst Anfang und Ende ist, als „Brücke über unruhigen Wassern“.

 

 

Gott als „Bridge over troubled Waters“ – von Anfang bis Ende! Doch nicht allein dies. Sondern Gott gibt auch gern – und zwar dem Durstigen von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst“! Quelle – lebendiges Wasser – umsonst! Das sind Kernaussagen der Jahreslosung. Sie gelten „durstigen“, lebensdurstigen Menschen“. Als Jugendlicher lernte ich ein Lied kennen, das im Refrain textete: „Ich habe Durst, ich hab noch Träume, will nie zu schnell zufrieden sein. Ich habe Durst, wo ist die Quelle für echtes Leben gegen den Schein“. Darum geht es im christlichen Glauben und in vielen biblischen Texten. Sie nehmen meinen Lebensdurst ernst! Gott will, dass mein Durst nach Leben gestillt wird – indem ich mich auf Ihn ausrichte und mein Leben von Ihm prägen lasse. Klar: Man kann versuchen, seinen Lebensdurst ganz anders zu stillen: mit Geld und Besitz, Kultur und Kunst, Gold und Silber. Er kauft teure, große Autos und will so seinen Lebensdurst stillen. Sie erwirbt glitzernde Ringe und Ketten und will so ihren Durst nach Leben befriedigen. Manchmal erscheint das Leben wie ein einziges Jagen, um den Lebensdurst abzustellen. Doch irgendwann spürt man: Es funktioniert nicht. Ist ein Bedürfnis befriedigt, meldet sich sofort ein anderes. Irgendwann fragt man sich: „Wo ist die Quelle für echtes Leben gegen den Schein?“

 

Ich lebe ja nun in Bad Cannstatt, dem größten Stuttgarter Stadtteil. Unter dem Cannstatter Stadtgebiet befinden sich die zweitgrößten Mineralwasservorkommen Europas. Das Wasser, das hier aus vielen, kontrollierten Brunnen sprudelt, ist jedoch kein gewöhnliches „Sprudelwasser“, sondern es ist Sauerwasser! Es schmeckt ein wenig rostig – soll aber sehr gesund sein.

So gesund war es, dass Cannstatt im 18./19. Jahrhundert zum königlichen Staatsbad erhoben wurde. Wohlhabende Kranke aus ganz Europa kamen hierher zur Kur. Noch heute kann man in den Cannstatter Mineralbädern das Wasser aus dem Frischwasserzufluss bedenkenlos trinken. Es schmeckt – nicht allen, aber mir schon. Und es tut gut! Das Wasser ist echt, es löscht den Durst. Und geht es Ihnen nicht ebenso: Wenn ich richtig Durst habe – weil ich viel Sport getrieben oder körperlich hart gearbeitet, weil ich eine Gipfelwanderung hinter mich gebracht oder eine längere Radtour absolviert habe – wenn ich richtig Durst habe, schmeckt nichts so gut und erfrischend wie frisches, kühles Wasser!

Genau dies verheißt Gott den Menschen mit der diesjährigen Jahreslosung. Er sagt uns: „Kommst du einmal in die Situation echten Lebensdurstes, lass es mich wissen. Meine Frischwasser-Vorräte sind unendlich groß und meine Quellen unerschöpflich. Und noch etwas: Du brauchst für dies Wasser noch nicht einmal etwas zu bezahlen – ich schenke es Dir. Es ist umsonst. Also sei mutig und greif zu!

So könnte Gott reden und ich ergänze: „Das ist dann so wie in Cannstatt. Die Brunnen sind alle offen. Ihr Wasser läuft permanent. Ich brauche nur die hohle Hand, einen Becher oder eine Flasche – um meinen Durst zu löschen und glücklich, zufrieden weiterzuleben.

Es geht nicht darum, dass ich meinen Lebensdurst durch Macht, Rausch und schnelles Geld selbst stille. Gott will mir vielmehr Glück, Geborgenheit und echte Zufriedenheit schenken. Die Erfahrung glücklich-zufriedenen Lebens wünsche ich Ihnen liebe Hörende – gerade am Beginn des Jahres 2018. So bleibt mir nur zweierlei zu sagen: „Prost“ und „Amen“.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

13.12.2017
Pastor Hartmut Hilke