Ich bin's

Morgenandacht
Ich bin's
19.05.2015 - 06:35
03.04.2015
Pfarrerin Sigrun Welke-Holtmann

„Wer ist da?“ „Ich bin’s!“ Obwohl die Gegensprechanlage gar keine Bildübertragung hat, rutscht es mir einfach so heraus: „Ich bin’s!“ – für mich ganz klar, für meine Mutter auf der anderen Seite dann auch! Bei fremden Menschen kommt das „Ich bin’s“ nicht einfach so über meine Lippen, da melde ich mich mit vollem Namen, meist mit Dienstanrede: „Hier ist ihre Pfarrerin!“ – denn Namen sind ja bekanntlich Schall und Rauch.

„Ich bin’s“, das rutscht mir eher bei der Familie heraus, bei denen, die mich kennen, die mich an der Stimme schon erkennen. „Ich bin’s“, rufe ich den Kindern zu, wenn sie vom Fernseher noch nicht einmal aufschauen, wenn ich nach hause komme und einfach nur rufen – „Bist du’s?“ „Ich bin’s!“ und gehe mit diesem Satz davon aus, dass die anderen auch wissen, wer ich bin.

 

Klar bin ich enttäuscht, wenn mein Vater am Telefon darauf den Namen meiner Schwester sagt und fragt, wie es ihrer Allergie geht, über die sie letzte Woche noch geklagt hat, aber ein enttäuschtes „Nein – ich bin’s!“ bringt ihn dann meist auf die richtige Spur.

„Ich bin’s!“ dieser Satz setzt ein Kennen voraus, eigentlich schon eine Vertrautheit.

 

„Ich bin“ so beginnen im Neuen Testament im Johannesevangelium zentrale Sätze, ja man könnte fast sagen, dass dieser Satzanfang eine Kurzzusammenfassung des ganzen Evangeliums ist. „Ich bin’s!“

 

Das erste Mal hört man diesen Satz jedoch aus dem Mund Johannes des Täufers: „Ich bin’s nicht!“ sagt dieser. Der Täufer bestimmt sein Sein anders: Ich bin nicht der Christus – Ich bin eine Stimme eines Predigers in der Wüste!“

 

Doch dann kommen die zentralen Sätze von Jesus selbst. Er trifft an einem Brunnen eine fremde Frau, eine Frau aus Samarien. Im Gespräch, da sagt er: „Ich bin’s“.

Diese Worte klingen wie eine Offenbarung und sind es auch. Sie sind der Auftakt zu einer ausführlichen Vorstellung, zu Selbstaussagen Jesu, den Ich-bin –Worten, mit denen Jesus wichtige Aspekte seines Wesens und seiner Bedeutung zusammenfasst: Ich bin das Brot des Lebens, ich bin das Licht, ich bin die Tür, der gute Hirte, die Auferstehung, der Weg, die Wahrheit und das Leben, ich bin der Weinstock. Bevor Abraham wurde, ich bin!

 

Über 20 Mal findet sich im Johannesevangelium dieser Satzanfang im Munde Jesu. In immer neuen Bildern wird seine Bedeutung in den unterschiedlichen Facetten zum Ausdruck gebracht. In großer Vertrautheit spricht er zu den Seinen und kommt ihnen als Sohnes Gottes nahe: „Ich bin’s!“

„Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ So kann man am Anfang des Johannesevangeliums lesen. Trotz der vertrauten Anrede, trotz des „Ich bin’s“ erkennen viele Jesus nicht: Ärger und Zwietracht, so beschreibt es Johannes, sind die Folgen. Enttäuschung auch: „Ich bin’s nicht“ – dreimal leugnet Petrus in einer schwierigen Situation überhaupt dazu zugehören.

 

„Ich bin’s, der mit dir redet.“ Eigentlich gehört die Frau aus Samarien nicht zur Familie, zu den Seinen. Und doch offenbart Jesus sich dieser fremden Frau am Brunnen. Ganz am Anfang seiner Selbstvorstellung. Die fremde Frau hat sich nicht einschüchtern lassen von Jesu merkwürdigen Worten vom lebendigen Wasser, seiner Exklusivität, mit der er sie zu Beginn des Gespräches abschrecken wollte. Die Frau weiß um den Messias und spricht Jesus direkt darauf an, bringt ihm trotz allem Vertrauen entgegen. Und Jesus reagiert: „Ich bin’s“.

Ein Satz und sie wird durch ihr Erkennen und sein „Ich bin’s“ mit in die Familie aufgenommen.

 

„Ich bin´s“ offenbart sich Jesus! Damit steht er bei den Menschen mitten im Dorf, am Brunnen und vor den Häusern. Und von da aus öffnet er die Türen. „Ich bin’s“ – damit nimmt Jesus hinein in eine große Familie und bringt ein ungeahntes Vertrauen entgegen.

03.04.2015
Pfarrerin Sigrun Welke-Holtmann