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Trägheit
Der Dauer-Frustzustand, der Kreativität blockiert
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18.06.2025 06:35
Trägheit sei die schlimmste Sünde, meinten die ersten christlichen Mönche. Was ist so gefährlich daran, sich hängen zu lassen?
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Trägheit ist nicht unbedingt das Erste, was einem beim Thema Sünde einfällt. Aber tatsächlich fanden die ersten christlichen Mönche: Die Trägheit sei die schlimmste Sünde. Sie schneide einen Menschen komplett von Gott ab. Wenn jemand in melancholischer Trägheit versinkt, dann hat, so meinten die Mönche, selbst Gott keine Chance.

Nun gibt es viele Menschen, die es nicht unbedingt schrecklich finden, in ihrem Leben vom Kontakt zu Gott abgeschnitten zu sein. Dennoch ist auch für sie – wie für alle Menschen – die Trägheit verhängnisvoll. Denn sie führt zu Verdrossenheit, Gleichgültigkeit gegenüber anderen, Denkfaulheit und der bequemen Ignoranz, die die Verantwortung für Leben und Welt gerne anderen überlässt.

Trägheit ist die Unfähigkeit, mit sich selbst, mit anderen Menschen und der Welt glücklich zu sein. Es ist das Unvermögen, irgendetwas zu genießen. Trägheit ist ein Dauer-Frustzustand. Und der wirkt sich negativ auf die Umgebung aus. Wie eine hochansteckende Krankheit lauert die Trägheit in dem betroffenen Menschen; und allen, die sich im selben Raum aufhalten, droht die Infektion. Meist bemerkt man sie schon in dem Augenblick, in dem man den Kopf zur Tür hereinsteckt, und meist ist es dann schon zu spät. Man hat sein Quantum Frust abbekommen und droht ebenfalls darin zu versinken.

Ich stelle mir vor, wie es wohl gewesen wäre, wenn neben Gott ein von der Sünde der Verdrossenheit Befallener gesessen hätte, als Gott gerade sein Schöpfungswerk beginnen wollte. Was soll denn das, warum Sonne und Mond, was bringen schon Meere, lohnt sich die Mühe mit den Pflanzen, warum gibt‘s eigentlich Vögel...? Es braucht schon göttliche Tugend, um gegen den Frust anzukommen. Der stellt sich aller schöpferischen Kraft in den Weg und blockiert menschliche Begabungen. Ihm wird immer alles zu viel.

In ihrer Wirkung ähnelt die Verdrossenheit der Krankheit Depression. Trägheit ist keine Krankheit, sie kann aber krank machen. Die ersten Mönche haben sie mit einer tödlichen Krankheit in Bezug gesetzt: Psalm 91 erwähnt eine Seuche, die am Mittag Verderben bringt. Die Mönche haben die Trägheit mit dieser Mittagsseuche in Beziehung gesetzt. Das Bonmot des "Suppenkomas" nach dem Mittagessen bewahrt diese alte Erkenntnis. Wobei Trägheit leider nicht so schnell vergeht wie ein voller Magen nach einem reichhaltigen Lunch.

Trägheit kann sowohl in Langeweile als auch in einem Zuviel an Arbeit wurzeln. Eine biblische Beispiel-Figur ist der Prophet Elia, der sich geradezu fanatisch im Dienst aufgerieben hat. Er hat bis zur Erschöpfung für seinen Auftrag gekämpft und ist am Ende nur noch voller Überdruss. Er will nicht mehr. Es ist genug. Gott möge ihn sterben lassen. Einen Funken Lebenswillen erkennt man in der Geschichte des Propheten darin, dass er sich in der Wüste unter die einzige Pflanze legt, die ein wenig Schatten spendet. Dennoch: Es braucht göttlichen Beistand, um den Propheten aus seiner Erstarrung wieder in Bewegung zu bringen. Ein Engel muss zweimal kommen und Brot und Wasser reichen. Dann erst findet Elia wieder zu seiner Lebenskraft zurück.

Interessanterweise bringt der Engel keine Austern und keinen Kaviar. Es ist etwas ganz Einfaches, zugleich zentral Lebenswichtiges: Brot und frisches Wasser. Elia isst und trinkt. Dann kommt er zu Kräften und kann wieder das finden, was der Sinn seines Lebens ist.

Wenn es gut geht, reißt durch die Sünde der Trägheit der Lebensfaden nicht gänzlich ab, sondern der Mensch besinnt sich auf das, was im Leben zählt. Dann kann es geschehen, wie beim Propheten, dass man die Augen aufschlägt und die Dinge wahrnimmt, die wirklich wichtig sind. Und dankbar dafür ist. Dann schmeckt einfaches Wasser erfrischend und gewöhnliches Brot ist köstlich. Dann ist die Verbindung zu anderen Menschen wieder möglich. Man fühlt sich selbst wieder und dass das Leben einen Sinn hat. Dann teilt man Brot und Wasser mit anderen, und ein Lächeln noch dazu.

Es gilt das gesprochene Wort.

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