Die Großen dieser Welt meinen schon immer, sie könnten tun und lassen, was sie wollen. Ein Ex-Präsident, ein Ex-Prinz und ein biblischer Prophet demonstrieren: Das ist Gott lob nicht so.
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Den Blick aus seinem Fenster kenne ich sehr gut. Denn ein Jahr lang habe ich Theologie in Paris studiert und in derselben Straße gewohnt. Wenn er jetzt aus dem Fenster schaut, dürfte er die bunten Blätter einer Kastanienallee sehen, idyllisch. Sein Zimmer ist elf Quadratmeter groß, etwa so groß wie mein Zimmer damals in der Fakultät. Nur dass ich mehr Bücher hatte und nicht nur eine Stunde Freigang am Tag.
Die protestantische Fakultät liegt im Süden von Paris, direkt gegenüber vom Gefängnis Santé. Auch wenn er in Berufung gegangen ist, das Gefängnis Santé ist jetzt erst einmal das Zuhause von Nicolas Sarkozy, dem früheren französischen Staatspräsidenten. Die Richter sehen es als erwiesen an, dass Sarkozy sich seinen Präsidentschaftswahlkampf 2007 von al-Gaddafi, dem damaligen Diktator Libyens finanzieren ließ. Sarkozy ordnet das Urteil als Justizskandal ein.
Ich finde: Es ist ein großer Fortschritt, dass Recht und Gesetz auch für mächtige Menschen gelten. Jedenfalls in Europa.
Seit biblischen Zeiten waren mächtige Menschen der Ansicht: Gesetze werden von ihnen, aber nicht für sie gemacht.
Die Propheten in der Bibel hatten daher einen riskanten Job, wenn sie den Königen den Spiegel vorgehalten haben. Sie wurden vielfach verfolgt. Der Auftrag an den Propheten Nathan, dem König David den Zorn Gottes auszurichten, war daher ein Himmelfahrtskommando.
Zumal der Vorfall aus royaler Perspektive nicht der Rede wert war. Der König hatte die Frau eines Untertanen vergewaltigt, während der Mann an der Front war. Als die Frau schwanger wurde, ließ der König den Ehemann beseitigen. So what? Kein Herrscher dachte sich etwas dabei, sich jede Frau zu nehmen, auf die er Lust hatte. Royales Recht der Geburt. Von Gottes Gnaden. Nur Gott hat es nicht gepasst.
Der Prophet Nathan hat dem König nicht das sechste Gebot vorgehalten. "Du sollst nicht ehebrechen" – was interessiert das einen Herrscher? Nathan erzählt dem König stattdessen eine Geschichte. Ein armer Mann hat ein einziges Schaf, das er liebt. Doch ein reicher Mann nimmt ihm dieses Schaf und schlachtet es, weil er keine Lust hat, eines seiner eigenen Schafe zu verlieren. Eine gute Geschichte. Und eine kluge Falle. König David wird zornig: "Der Mann ist des Todes!" – "Du bist der Mann!", sagt der Prophet.
Der König hätte den Propheten nun ins Gefängnis werfen können. Oder gleich töten. Doch David zeigt Größe. Er gesteht seine Schuld ein. "Ich habe gesündigt."
Andere zeigen keine Größe. Bis heute. Es gibt mächtige Männer, die es als ihr Recht ansehen, sich die Frauen zu nehmen, auf die sie Lust haben. Auch wenn diese Frauen minderjährig sind. In dieser Woche ging es um den britischen Prinzen Andrew, der seine Tat bis heute bestreitet. Eine Frau hat ihn verklagt. Er habe sie als 17-Jährige missbraucht. In diesem Jahr hat sie ihr Leben nicht mehr ertragen und Suizid begangen. Nun sind posthum ihre Memoiren erschienen.
König David konnte durch sein Schuldeingeständnis sein Leben retten. Die Folgen seiner Tat waren dennoch gravierend. Sünde wirkt sich aus. Davids Vergewaltigung und der Mord am Ehemann seines Opfers waren der Anfang vom Ende seiner Macht.
Das britische Königshaus hat die Reißleine gezogen und sich von Andrew distanziert. Auch eine jahrhundertealte Institution wie diese Monarchie kann wanken. Der Prinz hat auf seine Ehrentitel verzichtet. Angeblich aus freien Stücken. Ein echter Ehrenmann eben. Schade, dass es keinen Propheten oder keine Prophetin gegeben hat, der oder die ihm eine passende Geschichte erzählen konnte.
Seit Menschengedenken sind die Großen dieser Welt der Ansicht, dass Gesetze von ihnen, jedoch nicht für sie gemacht werden. Gut, wenn das in Europa nicht mehr gilt.
Es gilt das gesprochene Wort.
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