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Träume
Manches sortiert sich im Schlaf, aber ich muss es weise deuten.
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19.12.2024 06:35

Die biblischen Weisen aus dem Morgenland folgen nicht nur einem Stern. Sie sind Menschen, die auf ihre Träume achten.  

 
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Sie sind adventliche Menschen: die biblischen Weisen aus dem Morgenland, die Sterndeuter, kundige Wissenschaftler aus dem Zentrum der damaligen Welt: Babylon. Sie müssen schon vor Weihnachten aufgebrochen sein, denn in der Bibel steht: Als Jesus geboren war, sind sie zur Stelle. Rund 1000 Kilometer gilt es zu überwinden von ihrer Heimat bis Bethlehem. Auf ihrer Reise vertrauen sie nicht nur auf ihre wissenschaftliche Beobachtung des Himmels. Sie sind Menschen, die auf ihre Träume achten. 
Erkenntnisse im Schlaf
Diese Fähigkeiten sollten Wissenschaftler immer kultivieren. Bedeutende wissenschaftliche Erkenntnisse sind im Schlaf oder Halbschlaf entstanden. Wissenschaftliches Denken braucht den Schlaf und seine Träume, damit sich die Gedanken sortieren können, scheinbar wie von selbst. Angestrengtes Denken setzt manchmal den Fokus viel zu eng. Im Traum kann sich die Gesamtheit der Erfahrungen sortieren und zu kreativen neuen Ergebnissen führen, die wissenschaftlichen Fortschritt ermöglichen. 
Als Schriftstellerin weiß ich, dass auch künstlerische Kreativität von Träumen lebt. Ich habe oft über den weiteren Verlauf eines Romans vergeblich gegrübelt. Im Schlaf ist mir dann eine passende Lösung eingefallen. Am nächsten Morgen war klar: So muss es weitergehen.
Träume geben Hinweise
Kein Wunder, dass die Bibel von vielen Menschen berichtet, die im Traum wichtige Hinweise bekommen, darunter auch die Weisen aus dem Morgenland. Ich finde bei der biblischen Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland interessant: Der Stern hat nur einen Teil ihrer Wegstrecke begleitet. Auf dem Rückweg benötigen sie eine andere, neue Orientierung: Eben ihre Träume. 
Sie zeigen ihnen die Richtung: Geht nicht auf dem Weg zurück, den ihr gekommen seid. Denn sonst wären sie wie auf dem Hinweg an den hinterhältigen König Herodes geraten, der dem neugeborenen Jesuskind nach dem Leben trachtet. Der Stern war eine Orientierung von außen, der Traum eine Orientierung von innen. Beides war lebensrettend.
Sterne und Träume
Auf wichtigen Wegstrecken unseres Lebens gibt es Hinweise von außen und innen. Sterne und Träume. Beides legt sich nicht von selbst aus. Beides benötigt eine sensible Wahrnehmung und kluge Deutung. Wahrnehmung und Deutung ergeben sich nicht von selbst, sie wollen kultiviert werden. In Babylon haben viele den Stern gesehen. Und doch waren es lediglich diese weisen Männer, die sich auf den Weg gemacht haben. 
Hinweise kann man überhören und übersehen. Es klingt viel einfacher, auf demselben Weg zurückzukehren, auf dem man gekommen ist. Im Fall der Sterndeuter wäre es für das Kind tödlich gewesen, höchstwahrscheinlich auch für die Sternenkundigen selbst. 
Was einmal stimmte, muss nicht ein ganzes Leben reichen
Im Rückblick ist das klar, vorab nicht unbedingt. Daher braucht es die Klugheit, die abwägt, wie die Botschaft des Unter- oder Halbbewussten, die ein Traum sendet, denn gedeutet werden soll. 
Es braucht Mut und Klugheit, sich auf Sterne und Träume einzulassen. Und es braucht Lebenserfahrung, um zu wissen: Was mir einmal Orientierung gegeben hat, muss nicht unbedingt für ein ganzes Leben reichen. Noch nicht einmal für Hin- und Rückreise. Der Stern steht nur bis Bethlehem zur Verfügung.
Manchmal ist man mit einem Traum ziemlich allein und weiß nicht, worauf er hinweist. Die Sterndeuter hatten einander, das macht stark. Sie haben sich vor ihrer Abreise aus Babylon ausgetauscht, auf dem Weg sowieso. 
Sensibel für Träume
Und sie haben am Morgen nach dem Traum in Bethlehem dann die gemeinsame Entscheidung getroffen: Wir gehen einen neuen Weg nach Hause. Mit der Erfahrung des Sterns im Hinterkopf, mit allem, was sie erlebt haben, im Herzen. Gott ist ihnen begegnet. Im Kind. Ich stelle mir ihre Rückreise sehr lebendig vor. Und fröhlich.
So könnte der Advent in diesem Jahr auch sein. Aufmerksam für die Hinweise, die von außen kommen. Sensibel für die Träume, die wir träumen. Und mutig und fröhlich loszugehen. Die Hin- und die Rückwege. Gott sende uns Sterne und Träume.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

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