Morgenandacht
Gemeinfrei via Unsplash/ Nick Fewings
Tod und Ewigkeit, Trauer und Hoffnung
Morgenandacht von Pastorin Andrea Wagner–Pinggéra
25.11.2023 04:35

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Die Sendung zum Nachlesen: 

Der morgige Sonntag hat in der evangelischen Kirche zwei Namen: Totensonntag. Und Ewigkeitssonntag. Er gedenkt der Verstorbenen. Und er feiert die Ewigkeit. Das eine oder das andere. Vielleicht auch beides, als die beiden Seiten der einen Medaille.

In vielen Gemeinden werden die Verstorbenen des zu Ende gehenden Jahres noch einmal genannt. Oft wird für jeden Namen eine Kerze angezündet. Die Familien und nächsten Angehörigen werden zu dem Gottesdienst eingeladen. Die Atmosphäre ist ernst, manchmal gedrückt. Auf jeden Fall feierlich, getragen. Der Ernst des Todes, die Trauer findet hier ihren Ort. Und die Hoffnung auf das Leben, das Gott in der Ewigkeit neu schenkt.

In unserer Familie wie in vielen anderen auch geht man nachmittags aufs Grab. Zumindest sind wir so lange dorthin gegangen, als wir noch zusammengewohnt haben. Wir haben den Nachmittag und den Abend miteinander verbracht. Inzwischen ist unserer Familie diese schöne Tradition abhandengekommen. Wir wohnen zu weit verstreut. Der Familienmittelpunkt hat sich aufgelöst. Es gibt nicht mehr den einen Ort, an den wir alle – wenigstens ein paar Mal im Jahr – zusammenkommen.

Am Ewigkeits- oder Totensonntag wird vielerorts am Nachmittag auf dem Friedhof noch eine kleine Andacht gehalten. Dabei wird auch der wunderbare 90. Psalm aus der Bibel vorgelesen. Ein Gedicht, ein Lied aus alter Zeit. Es redet vom Menschen, von seinem Leben, das so schnell dahingeht. Selbst, wenn es 70 oder 80 Jahre dauert. Voller Mühe ist es. Und am Ende vergeht es doch, wie alles vergeht. Nur einer bleibt, weil er immer schon ist. Gott.

Was ich nur ganz dürr beschreiben kann, dafür findet der Psalm einmalige Worte. Sie scheinen aus einer fernen Welt zu kommen: „Herr, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.“

Da ist sie, die Ewigkeit. Die dem morgigen Sonntag ihren zweiten Namen gibt.

Ewigkeit – Zeit ohne Zeit. Ort ohne Ort. Ganz außerhalb dieser Welt. Himmel sagen manche. Oder Gottes kommende Welt. Was es auch nicht einfacher macht. Denn im Grunde kann niemand sich wirklich vorstellen, was das ist, „Ewigkeit“. Nur annähern kann man sich, es versuchen. Es ist die Welt ohne Leid, ohne Schmerz, ohne Trauer und Tod. So heißt es einmal in der Bibel. Auch das natürlich ein Bild. Das mich aber auf einen Gedanken bringt: Wo es keine Trauer und keinen Tod gibt, ist der Graben zwischen Lebenden und Toten aufgehoben. Er besteht nicht mehr. Der Tod ist nicht endgültig – hat nicht das letzte Wort. Auch er löst sich auf in Gott, der das Leben ist und das Leben schenkt.

Mir hilft dieser Gedanke – ich finde ihn tröstlich. Einem Freund von mir starben in kurzer Zeit die Schwester, die er sehr liebhatte, und der Vater. Die Schwester an einer kurzen, schweren Erkrankung, weit vor der Zeit. Der Vater war alt und konnte auf ein langes, erfülltes Leben zurücksehen. Sein Tod kam nicht unerwartet. Und doch hat das Sterben der beiden diesen Freund von mir ungeheuer getroffen, weil er an beiden hing und es eine große Nähe zwischen ihnen gegeben hatte. Sein Schmerz war groß, hat ihn oft geradezu überschwemmt. Als sei er amputiert – so fühlte er sich.

Da hat er für sich die Ewigkeit entdeckt: die Verbindung zwischen Lebenden und Toten. Die Hoffnung, dass die Grenze nicht ewig besteht – dass Gott sie aufhebt. Das tröstet ihn. Natürlich bleibt der Schmerz. Aber größer ist die Hoffnung, die Zeit und Raum übergreift.

Es gilt das gesprochene Wort.