Unser tägliches Brot gib uns heute

Morgenandacht
Unser tägliches Brot gib uns heute
08.09.2018 - 06:35
20.06.2018
Anja Neu-Illg
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Unser tägliches Brot gib uns heute.

Was die Deutschen am meisten vermissen, wenn sie länger im Ausland sind – das ist:
Brot. Richtiges, kerniges, langsam gebackenes. Schwarzbrot am besten.
Manche lassen sich sogar Brot von ihren Müttern in die USA schicken.

Brot, das ist Heimat, ist Kindheit. Brot, das sind meine Leute, das ist zu Hause.
Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Als ich ein Kind war, gab es nach meiner Erinnerung genau drei Brotsorten: riesige Weißbrote, von denen meine Oma fingerdicke Scheiben mit dem Messer abschnitt, um sie uns nach dem Schwimmen dick mit Erdbeermarmelade zu bestreichen.
Roggen-Mischbrot für die Pausenbrote, auf denen entweder Leberwurst oder Käse war.
Und, wenn es ganz gesund sein sollte: Vollkornbrot, mit richtig vielen Körnern, zum Abendbrot bestrichen mit Quark und Schnittlauch aus dem Garten.

Weißbrot, Roggenmisch und Vollkorn.
Alle weiteren Brotsorten erscheinen mir bis heute überflüssig.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Diese Bitte im Vaterunser ist die Bitte um etwas Einfaches, Lebensnotwendiges.
Unser tägliches Brot gib uns heute, das ist eine Bitte um Wesentliches.

Brot zur Zeit Jesu war mehr als nur ein Lebensmittel unter vielen, es war das Grundnahrungsmittel.
Es steht allgemein für Nahrung und alles, was das Leben nährt.

Wer um das tägliche Brot bittet, der sagt damit:
Ich will darüber nachdenken, was ich wirklich brauche.

Selbstreduktion, Ausmisten, Entrümpeln, das sind riesige Trends, vor allem aus Japan.
Menschen denken darüber nach, wie viele Dinge sie wohl zum Leben brauchen.
Einer mietet einen Container und packt all sein Zeug da rein und dann holt er an jedem Tag des Jahres genau ein Ding wieder raus. Eine andere trägt ein Jahr lang immer nur das eine blaue Kleid.
Andere versuchen, ihren Besitz auf unter hundert Dinge zu reduzieren. Zählen die Duplosteine eigentlich einzeln, oder das ganze Spiel als eins? Es gibt sogar Schubladen-Aufräum-Berater.
Die kommen zu einem nach Hause und helfen mit den Kramschubladen.
Und die zufriedenen Kunden berichten, dass das Kramschubladen-Aufräumen ihr Leben verändert hat, sie haben Trauer überwunden, sind frei geworden für neue Beziehungen und fühlen sich insgesamt leichter und freier.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Unser Brot. Nicht: Ich und mein Brot. Ich und mein Nachdenken über zu viele Dinge. Ich und mein Kram. Unser Brot. Weltbrot. Menschheitsbrot. Während wir die Qual der Wahl haben und vor lauter Kuchen, Teilchen, Plunder, Pastete, Hörnchen, Konfekt und Streußeltaler kaum noch das herausfinden, was gut für uns ist, sind für manche Kinder der Familie Mensch nicht mal mehr Krümel übrig.

Brot für die Welt – Man merkt, dass das eine deutsche Hilfsorganisation ist. Sonst hieße sie vielleicht: Wesentliche Dinge für die Welt, oder Manjok für die Welt, Wasser für die Welt. Reis für die Welt. Bildung für die Welt. Genau dafür steht das Brot: Was für Menschen wesentlich ist zum Leben, was sie zum Leben, nicht nur zum Überleben brauchen. Das ist auf jeden Fall mehr als Dinge. Und die Zahl seiner Dinge zu reduzieren, ist nur dann ein Spaß, wenn man mit allem Wichtigen längst versorgt ist, nur den Überblick verloren hat und auch das Augenmaß.

 

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Wer so betet, der sagt: Ich möchte darüber nachdenken, was ich wirklich brauche und ich will fragen, was die anderen Menschen zum Leben brauchen. Ich bitte darum, den Zusammenhang zwischen meinen Bedürfnissen und den Bedürfnissen aller anderen zu verstehen.

Bitte, Gott, gib uns das, was wir zum Leben brauchen.
Wieso gib? Ich kann mir meine Brötchen doch selbst verdienen. Es heißt ja nicht umsonst: Broterwerb, Brotjob oder eben brotlose Kunst. Was ich habe, habe ich mir sauer verdient.

Aber woher kann ich das, womit ich mein Brot verdiene?
Wer gab mir die Fähigkeit, etwas zu lernen?
Wem verdanke ich mein Leben?

Wer um das tägliche Brot bittet, der sagt damit:
Ich will darüber nachdenken, was ich wirklich brauche.
 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

20.06.2018
Anja Neu-Illg