Sendung zum Nachlesen
Aus seinem Gesicht war alle Farbe gewichen.
Sein letztes Gebet gesprochen.
Sein letzter Atemzug getan.
Ein letzter Schrei.
Und nun: nichts.
Seine Augen geschlossen.
Dunkelheit um ihn, in ihm.
Er hatte sie tiefer geatmet als alle zuvor.
Sie war eingedrungen bis in den innersten Raum.
Während er dort oben völlig in der Luft hing,
fiel er tiefer und tiefer.
Es gab kein Halten mehr.
Nur noch bodenloses Nichts.
Er sah kein Licht am Ende des Tunnels.
Ihm schien kein Morgenstern in der Nacht.
Keiner stellte eine Kerze ins Fenster,
damit er nach Hause fand.
Erst war da nur Schmerz.
Dann eine samtene Dunkelheit,
die allen Schmerz einhüllte
wie eine Decke und dann: nichts.
Aufgelöst und ganz allein.
Ein großes Atmen beginnt.
Er schnappt nach Luft.
Bäumt sich auf.
Noch immer in Tücher gehüllt.
Panisch reißt er sich den Stoff vom Gesicht.
Atem holen.
Um ihn die samtene Dunkelheit.
Der Versuch die Hände zu betrachten scheitert.
Zu Dunkel.
Aber er streicht mit den Händen am Körper entlang.
Noch da. Verwundert blickt er in die Dunkelheit.
Und traut seinen Augen kaum.
Ein leises Licht. Ein Traum? Da ist es.
Eine Hand streckt sich dem Licht entgegen.
Licht hüllt die Hand ein. Seine Hand.
Mehr Licht, immer mehr Licht drängt herein.
Um sich blickend, sieht er, wo er ist.
Ein Grab. Sein Grab.
Der Versuch aufzustehen endet fast mit einem neuen Fall.
Gefesselte Beine? Nein, umwickelt.
Weg mit den Todestüchern und der Enge.
Verwundert steht er da. Atmet. Tief.
Ein. Aus.
Ein. Aus.
Die Luft schmeckt süßer als je zuvor.
Er schaut an sich herab:
"Wer bin ich?"
Eine Stimme erklingt:
"Du bist Christus, der neue Mensch."
Ein goldenes Lächeln legt sich auf ihn.
Eine Hand streichelt über seinen Kopf.
"Mein Ein und Alles. Mein geliebtes Kind.
Du bist nur der Anfang."
Die goldene Mutter lächelt.
Ein neuer Mensch.
Geboren. Gelebt. Geliebt.
Gegangen. Gesprungen. Geredet.
Gegessen. Geliebt. Geschrien.
Gerannt. Gegriffen. Berührt.
Geliebt. Gestorben. Gebrochen.
Beerdigt.
Nichts gewesen. Alles geworden.
Einer wie wir.
Auferstehungskraft ist in uns allen.
Seitdem.
(Dagmar Wegener)
Es gilt das gesprochene Wort.