Morgenandacht
Hiobs Botschaft
über einen möglichen Umgang mit der Vernichtung eines Lebenswerkes
19.10.2019 06:35
Sendung zum Nachlesen

Brand in Sägewerk im Westerwald. Unter all den Hiobsbotschaften eines Tages erregt diese Nachricht fast gar keine Aufmerksamkeit. Doch einen Moment später dämmert es: Westerwald? Sägewerk? "Könnte das nicht die Firma von deinen Verwandten sein?" Wir schauen im Internet nach und sind sprachlos. Die Medien sprechen von einem Brand, Großbrand, einem Inferno. Sofort kommen lauter Fragen auf, die erstmal keine Antwort finden: Wie konnte das passieren? Ist ein Mensch zu Schaden gekommen? Wie geht die Familie damit um? Die Mitarbeiter? Wie geht es Onkel Hans-Herbert und seiner Frau?


Und was sollen wir jetzt machen? Anrufen und sagen, dass wir nicht wissen, was wir sagen sollen? Zwei Tage später kommt eine Nachricht über den Freunde- und Familienverteiler. Onkel Hans-Herbert schreibt darin, dass die Schäden so groß sind, dass an eine Aufnahme der Produktion nicht mehr zu denken ist; für den Wiederaufbau fehlt die Kraft. Immerhin ist kein Mensch verletzt worden. Doch die Firma ist verloren. Und er schreibt, dass er es mit dem Wort Hiobs hält: "Der HERR hat's gegeben, der HERR hat's genommen; der Name des HERRN sei gelobt!" (Hiob 1,21)

Das sind nicht die Worte eines Unbeteiligten. Hans-Herbert steht nicht mit den Händen in den Hosentaschen daneben und sagt: Der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen, mir doch egal. Im Gegenteil: Fast sein ganzes Arbeitsleben hat er in dieser Firma gearbeitet. Manche Tage begannen schon morgens um 3 Uhr. Lange Arbeitswochen, die zwar einen Sonntag, aber kaum einen Samstag kannten. Von den Eltern seiner Frau gegründet, über 55 Jahre von der Familie weiterentwickelt und geführt. Das Lebenswerk einer ganzen Generation – innerhalb von Minuten in Schutt und Asche.


"Der HERR hat's gegeben, der HERR hat's genommen; der Name des HERRN sei gelobt!" (Hiob 1,21)
Das ist nun nicht die Losung, die an die Mitarbeiter, die ihre Arbeit verloren haben, ausgegeben wird; es ist eigentlich auch keine Erklärung – sondern ein Halt. Wie gut, dass er diesen Halt hat, man müsste verrückt werden sonst.


Was ich an dieser Haltung so stark finde? Dass sie für alles was geschieht – sei es gut oder schlecht – keine andere Ursache zulässt als Gott. Man könnte ja auch sagen: "Ich habe mir selbst gegeben, was ich habe. Ein namenloses Schicksal hat es mir genommen. Verflucht sei das Schicksal."

Hiobsboschaft. Das ist geradezu sprichwörtlich für eine schlechte Nachricht nach der anderen. Schon auf der ersten Seite des Hiobbuches wird Hiob fast alles genommen, was er hat. Während ein Bote noch redet, kommt schon der nächste und berichtet: Jetzt hast du auch das verloren: deine Tiere, die Rinder, die Esel, die Kamele, deine Knechte, deine Söhne und Töchter – und es nimmt kein Ende. Eine Hiobsbotschaft jagt die andere. Dabei wird Hiob als der ideale Fromme vorgestellt, der sich absolut nichts hat zuschulden kommen lassen. Womit er das alles verdient hat? Mit gar nichts.


Das Buch Hiob beginnt so:

Es war ein Mann im Lande Uz, der hieß Hiob. (Hiob 1,1) Schwer zu sagen, wo dieses Land ist, übersetzt heißt es so viel wie "Rätsel". Und der Name Hiob bedeutet "Wo ist der Vater?" Ein Mann im Rätselland, der hieß "Wo ist der Vater?".


In diesem Buch wird die Frage verhandelt, ob Hiob umsonst glaubt, also ob er nicht für seinen guten Lebenswandel auch eine Gegenleistung sehen will. Oder anders gefragt: Ist es nicht leicht an Gott zu glauben, solange alles gut ist? Und wird die Frage nach dem Glauben nicht überhaupt erst interessant, wenn die Umstände nicht auf Gott und seine Güte hinzuweisen scheinen?

Angesichts der glimmenden Reste eines Lebenswerks an der Liebe und Güte Gottes festzuhalten, ist ein trotziger Akt des Glaubens gegen den Augenschein. Der Glaube ist kein Geschäft, kein großer Deal – obwohl ja heute alles ein Deal zu sein scheint. Leistung und Gegenleistung. Einen starken Halt im Glauben wird nicht der finden, der angesichts einer Hiobsbotschaft fragt: Womit habe ich das verdient? Einen starken Halt im Glauben findet wohl nur der, der auch unterwegs einmal gefragt hat: Warum geht’s mir eigentlich so gut?

 

Es gilt das gesprochene Wort.