Zurück zum Anfang

Morgenandacht
Zurück zum Anfang
20.05.2015 - 06:35
03.04.2015
Pfarrerin Sigrun Welke-Holtmann

„Zurück zum Anfang“ – bei Würfelspielen ist dies meist die Höchststrafe, wenn dein Männchen wieder ganz an den Anfang gesetzt wird und alles, was du bis dahin an Wegstrecke zurückgelegt hattest, umsonst war. Wenn dein Mitspieler dich einfach so vom Feld gefegt hat, mit der passenden Augenzahl. Eben noch lagst du vorne, warst ganz gut im Spiel, hast dir vielleicht sogar Chancen auf den Sieg ausgerechnet und im nächsten Moment – du musst alles noch einmal gehen und liegst zudem auch noch ganz hinten – eine schlechte Ausgangsposition!

 

„Zurück zum Anfang“ – im Leben hingegen wünscht man sich das manchmal.

„Ach, könnte ich doch noch einmal neu anfangen. Mit all den Erfahrungen, die ich heute habe, ich würde vieles anders machen, den Weg bewusster gehen und den ein oder anderen Umweg vermeiden.“

Diesen Wunsch höre ich manchmal in Gesprächen zumeist mit älteren Menschen und ich höre die Sehnsucht, mitten im Leben noch einmal anzufangen, vielleicht nicht direkt bei Null, aber zumindest das Lebensalter auf: zwischen zwanzig und dreißig zu setzen. Sie möchten nicht wirklich noch einmal zwanzig oder dreißig sein, sondern jung, aber mit den Erfahrungen und Einsichten des Alters.

Doch das Leben lässt sich nicht einfach so auf Null setzen, ein Reset und alles fängt noch einmal an.

 

Und doch genau das verheißt der Prophet Jeremia im Alten Testament im Namen Gottes dem Volk Juda und Israel. „Siehe, ich will sie heilen und gesund machen und will ihnen dauernden Frieden gewähren. Ich will sie bauen wie im Anfang.“

Eine schwere Krise liegt hinter dem Volk. Es ist die Katastrophe von fünfhundertsiebenundachtzig vor Christus, das babylonische Exil. Niederlage der israelitischen Geschichte, das Ende des Königtums, des Staates, auch das Ende des Tempels. Es folgt die Deportierung einer ganzen Bevölkerungsschicht in ein fremdes Land. Und es stellte sich die Frage: Wurde auch der Gott Israels damit besiegt?

Die Israeliten wurden von den Babyloniern vom Spielfeld geworfen, an einen Neuanfang war erst einmal nicht zu denken. Denn wer unter der Vormacht eines anderen Volkes steht, wird bevormundet und kann nicht selbst entscheiden.

Und zu allem Übel stellt der Prophet zuerst einmal fest, dass das Volk selber schuld ist, dass alles nicht von ungefähr gekommen ist. „Ihr habt die Katastrophe mit eurem Verhalten selbst ausgelöst“. Und die Babylonier hatten nicht einfach nur mehr Glück im Spiel, sondern Gott selber hat sie ins Spiel gebracht.

War der Weg bis hierher also umsonst?

Zurück zum Anfang.

Und doch wird der Zähler nicht einfach nur auf Null gestellt, nein, der Prophet spricht weiter zu seinem Volk und verspricht im Namen Gottes Heilung und dauernden Frieden – kein Spiel mehr auf Leben und Tod. Aus der Krise soll das Volk gestärkt herausgehen, ja, die Welt soll eine neue werden, eine neue Schöpfung.

Auf Null gesetzt– ja, aber mit den Erkenntnissen und Erfahrungen der Vergangenheit. Und mit einem Versprechen: Gott schließt mit seinem Volk einen Bund. Einen Bund, der tiefer geht als alles andere zuvor. Es soll ein Bund sein, der in die Herzen der Menschen geht, ein Versprechen Gottes, bei seinen Menschen zu sein, auch und gerade in Krisenzeiten. Eine bessere Ausgangsposition im Leben kann es nicht geben.

 

Zurück zum Anfang. Diese Worte sind Balsam für geschundene Seelen, Nahrung für die Sehnsucht und die Hoffnung der Menschen. Sie haben Kraft gegeben und Glauben gestärkt und waren wie ein Leuchtturmlicht in der Dunkelheit der schweren Zeiten.

 

Diese Worte können auch Menschen heute Hoffnung schenken. Ein Neuanfang ist immer möglich! Nicht als Höchststrafe, nicht um zu verlieren – sondern als Chance und höchste Gnade. Denn Gottes Bund gilt immer noch, genauso wie seine Zusage, bei den Menschen zu sein. Von Anfang bis zum Ende.

03.04.2015
Pfarrerin Sigrun Welke-Holtmann