Ostern ist irgendwie auch ein krasses Fest

Ostern ist irgendwie auch ein krasses Fest
mit Theologieprofessorin Julia Enxing
01.04.2023 - 23:35

Ostern ist irgendwie auch ein krasses Fest

Morgen ist Palmsonntag. Die Erinnerung an den Tag, an dem Jesus auf einem Esel in Jerusalem einreitet und die Menschen Palmzweige auf dem Boden ausbreiten. Sie bereiten Jesus keinen roten Teppich, sondern einen Teppich aus Palmzweigen. Ich stelle mir das wie eine richtige Party vor. Der Stargast kommt, alle sind total aufgeregt. Und dann sieht man ihn einreiten… Applaus, Jubel, Neugierde.

Seit dem Mittelalter wird diese Szene, die in den Evangelien übermittelt ist, nachgespielt. Kinder basteln Zweige, die sie mit bunten Bändern schmücken, um das Wedeln und die Begrüßung nachzuspielen, ja, um etwas von der Begeisterung und der Freude, die damals in Jerusalem geherrscht haben musste, nachzuempfinden. Der Palmsonntag läutet auch zugleich die Karwoche ein. Ist also Vorbote für das Ostergeschehen. Und dann beginnt sie, die „stille Woche". Eine Zeit zum Stillwerden.

Aber irgendwie passt das gar nicht so zum einziehenden Frühling. Stille und Frühling? Wie soll das zusammen gehen? Ich werde in diesen Tagen von laut zwitschernden Vögeln geweckt und auf dem Markt steht ein Meer aus bunten Tulpen und leuchtenden Osterglocken zum Verkauf bereit. Frühling, das ist doch die Zeit zum Rausgehen, Zeit, die Winterklamotten wegzuräumen. Endlich wieder ohne Mütze und Handschuhe das Haus verlassen. Jetzt kann man langsam wieder länger draußen bleiben, auf der Straße Kaffeetrinken und sich von den Sonnenstrahlen wärmen lassen. Doch eigentlich Freude pur, oder?

Ja, eigentlich. Aber so ist das Leben halt nicht immer und auch nicht für jeden. Die „stille Woche" oder die „stillen Tage" bis zur Osternacht sind symbolisch zu verstehen. Zeichenhaft: Vor dem Frühling herrscht der Winter. Dem Jubel und der Erleichterung geht oft eine schwere, traurige, auch stille Zeit voraus. Nicht nur auf Jesus kommen harte Tage zu, auch wir kennen das - wenn auch anders.

Und so ist das, was Christ:innen weltweit innerhalb der einen Woche von Palmsonntag bis zum Osterfest nun bedenken und beweinen, betrauern und ja, auch feiern, so ist das wie ein Schnelldurchlauf durchs Leben. Und so gesehen ist Ostern irgendwie auch ein krasses Fest.

Wie im Brennglas folgen Abschiednehmen, Tod und Auferstehung aufeinander. Und wir werden mitgerissen, gehen mit, alle Emotionen sind hier vereint und jede von uns kennt sie: die tiefe Traurigkeit, Abschiedsessen, Todesangst, Einsamkeit, Dunkelheit, Verlust, Schmerz und Weinen … Erleichterung, Freude, Triumph, Licht und Leichtigkeit - und alles dazwischen. In Gedanken begleiten wir Jesus in diesen Tagen … und er uns. Weil nichts Menschliches ihm fremd ist; er alles kennt. Und weil er letztendlich eben nicht fortgeht, sondern bei uns ist und bleibt - alle Tage bis ans Ende der Welt.