FeG Friedberg
Vom Warten und Wachsen
Live-Übertragung aus der Freien Evangelischen Gemeinde, Friedberg
26.03.2023 10:05
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Predigt zum Nachlesen:

I

Vor einer Weile war mein Kopf mal wieder randvoll mit Gedanken. Ich musste raus, meine Unruhe abbauen. Also ging ich los, raus auf die Friedberger Felder, einfach mal drauflos.
Erst waren meine Schritte schnell und unruhig, dann wurden sie nach einer Weile langsamer, zwischendurch blieb ich stehen, die Gedanken immer noch lebendig, aber so langsam begann ich aus dem Gedankenwirrwarr aufzuwachen.

Wenn es mir so geht, hilft mir ein Spaziergang dabei, wieder im Hier und Jetzt anzukommen. Ich fang dann an, meine Umwelt wieder neu wahrzunehmen: Da fällt mein Auge auf die Formen der Steine entlang des Weges, auf die Furchen in der Rinde eines Baumes …
Während ich so an jenem Tag an den Feldern entlangging, fiel mein Blick dann irgendwann auch auf das Feld selbst. Das heranwachsende Getreide darauf sah schon kräftig und fast reif aus. Es schimmerte goldig durch die Nachmittagssonne.
Und da wurde ich neugierig: Ich hatte schon lange keine Körner direkt vom Feld gegessen. Bestimmt das letzte Mal als Kind … Wie schmeckte das eigentlich? Ich hatte gar keine Erinnerung mehr daran.
Also griff ich voller Neugier nach einer Ähre und wunderte mich noch kurz, dass die Körner so grün aussahen, und kaute voller Erwartung des puren Genusses auf ihnen herum. Das Ergebnis war … Das Ergebnis war, dass ich tatsächlich ein Stadtmensch bin.

Ich brauchte erst mal eine ganze Weile, um zu verstehen, dass die Körner überhaupt noch nicht reif waren. Sie schmeckten einfach bitter. Ich rätselte also drauf los, warum das der Fall sein könnte ... Erst nach einigen Minuten fiel mir dann irgendwo im Hintergrund meines Unterbewusstseins, der Erdkundeunterricht, 6. Klasse, ein. Es würde noch mindestens einen ganzen Monat bis zur Ernte dauern, schätzte ich. Dabei hatte das Getreide mich doch schon jetzt so golden angelacht. Es musste also noch weiterwachsen und ich noch etwas warten.
Überhaupt wurde mir wieder bewusst, dass zum Beispiel in einem Brot, das man beim Bäcker um die Ecke kauft, ganz schön viel Arbeit steckt. Bevor es überhaupt dazu kommt, dass die Bäckerei ihren Ofen anwirft, vergehen erst mal 9-10 Monate einfach nur für das Wachsen des Getreides. Danach muss es geerntet und noch verarbeitet werden. Schließlich kommen andere Zutaten hinzu, bevor es in der Stamm-Bäckerei verkauft wird. Vom Säen und Wachsen bis zum fertigen Brot dauert es also eine ganze Weile.

In der Bibel, im Markus-Evangelium, Kap. 4, Verse 26-29, ist von diesem Prozess des Wachsens und Wartens die Rede. Da erzählt Jesus seinen Hörerinnen und Hörern eine Beispielgeschichte – ein Gleichnis:
Mit dem Reich Gottes ist es wie bei einem Bauern. Er streut die Körner auf das Land, dann legt er sich schlafen und steht wieder auf – tagaus, tagein. Die Saat geht auf und wächst – aber der Bauer weiß nicht, wie das geschieht. Ganz von selbst bringt die Erde die Frucht hervor: zuerst den Halm, dann die Ähre und zuletzt den reifen Weizen in der Ähre. Wenn das Getreide reif ist, schickt er sofort die Erntearbeiter los, denn die Erntezeit ist da. (BasisBibel)

Jesus erzählt hier von einer wachsenden Saat. Monatelang wartet der Landwirt nach dem Säen auf die Ernte. In seinem Gleichnis wird fast nichts darüber gesagt, was der Bauer macht. Allein davon wird erzählt, dass er tagaus und tagein wiederkehrenden Abläufen nachgeht. Es überrascht mich sogar, wie hier der Wachstumsprozess beschrieben wird: „Ganz von selbst bringt die Erde die Frucht hervor.“ Völlig unwichtig scheint hier das Handeln des Landwirts zu sein. Allein das Wachsen der Saat steht im Vordergrund. Langsam, aber kontinuierlich wächst sie: zuerst der Halm, dann die Ähre, dann die Körner.
Das klingt für mich fast schon romantisch. So als müsste ein Landwirt nichts tun, um später ernten zu können. So, als wäre es ein ganz harmonischer Prozess: Das Korn wird gesät und jetzt warten alle Beteiligten ein paar Monate und irgendwann kann der Bäcker aus dem schönen Getreide ein Brot formen und backen. Und das Ergebnis feiern und „Danke“ sagen für alles!

Hach ja, wenn doch alles so einfach wäre…!
Doch stattdessen wirkt das Leben manchmal wie eine große Plackerei. Nicht nur Landwirte haben es meist deutlich schwerer. Auf der eigenen Arbeitsstelle gibt es z. B. genervte Kolleginnen und Kollegen, dann der Stress und Druck, möglichst effizient zu sein. Neben den kleineren Sorgen im Alltag gibt es auch die großen Problem-Themen: der Krieg in der Ukraine, die Preise bei uns steigen, Krankheiten und die globale Klimaerwärmung machen mir Sorgen.
Trotz allem Einsatz will das, was wir leisten, was wir „säen“, gar nicht so wachsen, wie wir es gerne hätten. Wir mühen uns ab, und doch schieben sich immer neue Hindernisse in den Weg. „Von Nichts kommt nichts!“, heißt es. Und ja, man muss oft hart arbeiten, um Erfolge zu erzielen ... High-Performer und besonders erfolgreiche Menschen beeindrucken, weil es Disziplin fordert, so gut zu sein. Müsste Jesus in seiner Beispielerzählung also nicht auch das Tun des Bauern noch viel deutlicher herausstellen?

Zuerst einmal geht es hier im Gleichnis Jesu um eine andere Ebene im Leben, um Gottes Reich: „Mit dem Reich Gottes ist es wie bei einem Bauern“, beginnt die Geschichte. Es geht also um die Dinge, die von Gott ausgehen. Jesus beschreibt hier den Charakter von Gottes Wirken in dieser Welt.
Bei Gott findet sich eben nicht unsere ewige Plackerei. Gott selbst wirkt und das, was Gott wirkt, bringt Frucht – und zwar aus sich selbst heraus! Hier ist also meine Mühe – dort ist die Saat, die von Gott ausgeht und wunder-voll wächst. Was Gott pflanzt, entfaltet sich in der Geschichte. Ganz von selbst entfaltet es sich. Das ist seine Zusage.

Für mich ist das eine fast unglaubliche Hoffnung: Es gibt da jemanden, für den es keine Mühe ist, das zu Ende zu bringen, was er sich vornimmt. Es mag manchmal für mich nicht so schnell erkennbar sein – schließlich verbringt das Korn viele Wochen unter der Erde, bevor es aufgeht. Manchmal darf ich aber bereits einen Halm, eine Ähre, auf meinem Weg entdecken – zuweilen sogar ein Feld voll blühenden Weizens sehen! Und ich fange an, zu staunen.
Zum Beispiel vertraut sich ein Mensch mit seinem Leben Gott an – und kriegt dadurch wieder Boden unter den Füßen. Oder jemand läuft mir zufällig über den Weg und sagt mir im Vorbeigehen einen kleinen Satz, der mich tief berührt. Ohne dass er es weiß, ist es genau die Ermutigung, von der ich nicht mal wusste, dass ich sie genau zu dem Zeitpunkt brauchte.

Manchmal dürfen wir Menschen einen Vorgeschmack auf den himmlischen Frieden erleben und wissen: Gott steht zu sich selbst, denn er wird das, was er tut, auch weiterführen und vollenden. Was für ein heilsamer Kontrast zur Mühe und Plackerei, die ich mir selbst oft mache.

 

II

Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist mit der Ankündigung aufgetreten: Das Reich Gottes ist nahe! Als er einmal von Pharisäern gefragt wurde, wann denn sein Reich kommt, da erklärte er: Gottes Herrschaft kommt nicht einfach von außen zu uns Menschen – vielleicht so, wie man sich das in einem Science-Fiction-Film vorstellt, dass fremdartige Wesen plötzlich am Himmel erscheinen. Und diese stellen sich dann als neue Herrscher über die Welt vor. So kommt das Reich Gottes nicht – meist endet das in den meisten Filmen auch nicht heilsam. Nein, sondern Jesus antwortete auf die Anfrage der Theologen seiner Zeit: „Seht, Gottes neue Welt ist bereits da – mitten unter euch.“
Gottes Herrschaft, sein Reich, ist bereits angebrochen, schon hier! Wie das Korn im Gleichnis Jesu schon gesät ist. An manchen Stellen stehen auch bereits sichtbare Halme und Ähren, da begegne ich Wundern Gottes auf dem Weg. Mal sind sie mir mehr, mal weniger bewusst ...

Ehrlicherweise stellt sich mir dabei die Frage: Wie oft gehe ich eigentlich an diesen Orten von Gottes Wirken vorbei, ohne sie zu sehen, wenn Gottes Herrschaft doch schon mitten unter uns ist? Ein Sinn von Jesu Gleichnis ist es sicherlich auch, dass meine und unsere Aufmerksamkeit für Gottes Wirken in unserem Umfeld geschärft wird: Erst wächst ein Halm, dann eine Ähre, dann das Korn in der Ähre … Da steckt für mich eine Menge Gelassenheit und Ruhe drin, die jeden einzelnen Schritt neu sieht.

So oft bin ich aber mit allem Möglichen beschäftigt, dass ich die Meisterleistungen Gottes zwar mit meinen Augen sehe, aber sie gar nicht wirklich wahrnehme. Es ist wie bei meinem unruhigen Spaziergang durch die Felder der Wetterau. Dann frage ich mich: Gibt es Wunder Gottes überhaupt? Wirkt Gott überhaupt?

Ich brauche deshalb zwischendurch immer wieder diese Momente, diese Spaziergänge im übertragenen Sinne, in denen sich mein Blick hebt. Praktisch heißt das für mich, dass ich mich dadurch in meinem Alltag bewusst auf Gott und seine Wunder ausrichten möchte. Wenn ich Gottes Wirken erkennen will, dann sollte ich doch diesen Gott auch kennen, oder?

Ich persönlich gehe deshalb gerne raus in die Natur, weil sie ein Sprachrohr Gottes ist und er diese Welt geschaffen hat. Da lerne ich etwas von meinem Schöpfer kennen.
Genauso gerne lese ich in der Bibel, weil hier Menschen ihre Geschichte mit Gott aufgeschrieben haben. Und ich etwas davon lesen kann, wie Gott in dieser Welt wirkt. In der Bibel werden auch Zusammenhänge deutlich und Fragen aufgeworfen, die mich näher zu Gott und zum Leben führen. Gott offenbart sich mir hier.
Genauso nehme ich mir immer wieder persönlich Zeit zu beten und tausche mich in der Kirche oder Gemeinden mit anderen über Gott und diese Welt aus: Deshalb komme hier in die Gemeinde, nehme am Gottesdienst teil, um für Gottes Wirken offen zu sein und mich Gott neu anzuvertrauen.

Es wäre doch tragisch, wenn ich mein Leben leben würde, ohne Gottes Reich mitten unter uns anbrechen zu sehen? Denn Jesu Aussagen entsprechend ist das offensichtlich möglich.

Jesus sagt hier im Gleichnis: Mit dem Reich Gottes ist es wie mit einem Bauern. Er sät und es wächst und er wird ernten. Gottes Herrschaft bricht an. Also dann möchte ich doch dieses Reich Gottes jetzt schon mit meinen Augen sehen!
Und das, was ich davon heute schon in der Natur und unter uns Menschen erkenne, das lässt mich aufatmen. Es freut mich. Und ich freue mich jetzt schon hoffnungsvoll auf den letztendlichen Moment der Ernte: der von Jesus versprochenen Vollendung, wenn Gottes neue Welt in ganzer Klarheit sichtbar werden wird!

Warten und Wachsen – auf dieses Ziel und Vollendung aktiv zu warten, heißt für mich, Gott hier schon immer mehr kennenzulernen. Und seine Größe in den Kleinigkeiten des Lebens zu entdecken: in der Natur, in den liebevollen Beziehungen, in der Gemeinde Gottes. Es gibt viel zu entdecken, da bin ich mir sicher!

Gleichzeitig gibt es aber Umstände, die mir diese Hoffnung schnell wieder rauben. Dinge, die sich mir immer wieder in den Weg stellen. Es gibt Orte in meinem Leben, an denen es dunkel ist; Orte der Frustration, der Unzulänglichkeit und Sünde.
Ja, auf dem Feld meines Lebens wächst auch Unkraut oder die erhofften Erträge der Ernte werden von Stürmen einkassiert. Es passiert sogar, dass andere ihren Müll einfach auf meinen Acker kippen. Dann ist mein Elan so schnell wieder weg, wie er gekommen ist.
Doch das Gute ist: Es ist nicht irgendwer, der uns dieses Gleichnis vom Landwirt und der erhofften Ernte erzählt. Es ist Jesus, der Sohn Gottes.

Jesus hat sich in Johannes 12,24 selbst mal als ein Weizenkorn beschrieben. Es fällt in die Erde, stirbt und bringt dann viel Frucht. In diesem Fall steht es für Gott selbst, der alles hinter sich gelassen hat und in Jesus als Mensch in diese Welt gekommen ist. Er hat diese gebrochene Welt auf sich genommen, um alle Schuld, Sünde und Not zu überwinden, um das Licht im Dunkel zu sein. Und er hat in seiner Auferstehung die Macht des Todes entschärft!
Ich bin froh, dass bald wieder Ostern ist, wo wir uns das noch mal richtig vor Augen führen und erleben können.
Dadurch, dass Gott in Jesus Mensch geworden ist, sehen wir, dass er diese unsere Welt tatsächlich annimmt. Er ist der Grund, warum wir hoffnungsvoll warten können.
Jesus ist vom Tod auferstanden – das ist das ultimative Zeichen: Kein Unkraut der Welt kann die Saat seines Reiches kaputtmachen.
Ich darf mir also bewusstwerden: Selbst, wenn ich immer wieder zeitweise die Hoffnung verliere – was Gott mitten in dieser Welt an Gutem angefangen hat, das wird er auch zu Ende bringen. Das gibt mir jetzt schon Mut und Hoffnung beim Warten und Wachsen.

Amen

 

Es gilt das gesprochene Wort.

Dlf Gottesdienst