Der Krieg kennt keinen Urlaub
18.01.2025 23:45

Seit über einem Jahr tobt der Krieg zwischen der Hamas und Israel. Immerhin scheint es jetzt Hoffnung auf einen Waffenstillstand zu geben. Seit drei Jahren ist Krieg in der Ukraine. Es ist zermürbend, das alles mitansehen zu müssen – auch aus der Ferne. Pastoralreferentin Johanna Vering fühlt sich ohnmächtig angesichts der vielfältigen bedrückenden Erfahrungen im Leben, denen man scheinbar nicht entfliehen kann. Doch sie setzt etwas dagegen und schaut auf die kleinen Lichtblicke, die das Leben auch immer bereithält.

Darüber spricht sie in ihrem Wort zum Sonntag am kommenden Samstagabend nach den "Tagesthemen" im Ersten und bereits ab 17:00 Uhr unter www.daserste.de/wort.

Sendetext lesen:

 

 

Zu später Stunde: Guten Abend!
Ich erwarte ja viel von der Bibel, aber diesen Satz habe ich nicht erwartet: Es gibt im Krieg keinen Urlaub! Steht in der Bibel. Im Alten Testament, im Buch Kohelet. Ich bin zufällig auf diesen Satz gestoßen und er hat mich völlig umgehauen. Richtig getroffen. Es gibt im Krieg keinen Urlaub. Ganz richtig ist das ja nicht, es gibt Fronturlaub. Vielleicht muss ich besser sagen: Krieg kennt keinen Urlaub, da bleibt niemand verschont. Es sind so viele Menschen betroffen, jenseits der Soldatinnen und Soldaten. 

Fast schon drei Jahre tobt der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Mehr als ein Jahr haben sich Israel und die Hamas militärisch bekämpft und auch wenn jetzt, Gott sei Dank, eine Waffenruhe verhandelt wird: Ob dadurch eine dauerhafte Lösung in Sicht kommt? Und das sind nur die Konflikte, die mir örtlich relativ nah sind. Für mich sind diese Kriege so aussichtslos.

Aussichtslos. Das ist vermutlich das falsche Wort, weil es ja de facto eine Aussicht gibt im Krieg: Sieg oder Niederlage. Zermürbend passt wahrscheinlich besser - vor allem für die Kämpfenden an der Front. Aber auch für mich ist die Situation zermürbend, obwohl ich ja weit davon weg bin. Ich fühle mich ohnmächtig und sehe keine Perspektive. 

Manchmal schalte ich inzwischen sogar ab, wenn es um die Kriege geht. Es ist mir einfach zu viel. Das klingt vielleicht distanziert oder überheblich, weil die vom Krieg unmittelbar Betroffenen das leider nicht können. Aber ich fühle mich so machtlos. 

Krieg wird man nicht los. Er geht auch im Fronturlaub im Kopf, in der Seele, weiter. Davon haben Freunde erzählt, die damals in Afghanistan waren und das habe ich bei meinem Opa erlebt. Der war im Zeiten Weltkrieg und er hat jede Nacht laut geschrien und weitergekämpft. Zeitlebens.

Wie viele Situationen gibt es auch sonst im Leben, die aussichtslos oder zermürbend sind! Stefan, ein Freund von mir, hat die Diagnose Krebs bekommen. Unheilbar. Anne pflegt ihre demente Mutter, neben dem Job und dem eigenen Leben. 

Wie halten Menschen das alles aus? Das sind ja Entwicklungen im Leben, die ich nicht beeinflussen kann. Ich frage mich das wirklich: wie schaffen Menschen das? 

Der Bibeltext aus Kohelet gipfelt sinngemäß in dem Satz: "Gott hat die Macht über das Leben und den Tod." Hört sich auch irgendwie aussichtslos an. Das heißt, ich kann Gott nicht entkommen. Allerdings ist das aus meiner Sicht gar nicht schlimm, das trägt mich 


sogar. Denn Gott ist kein Kriegstreiber. Er will nicht, dass es mir schlecht geht. Im Gegenteil: Er ist wohlwollend. Gott steht für das gelingende Leben - und das sogar über den Tod hinaus. 

Wie also umgehen mit scheinbar ausweglosen Situationen wie Krankheit oder zu hoher Belastung?

Meine Freunde Stefan und Anne versuchen es so: 
Stefan hat genossen, was ging. Gerade weil er wusste, dass er bald sterben wird. Er hat viele Menschen getroffen, war unterwegs und hat immer wieder erzählt, was er alles Tolles erlebt hat. Anne freut sich über jedes Lächeln ihrer Mama und geht hin und wieder tanzen, wenn es die Zeit erlaubt. 

Aber geht das auch im Krieg? 

Ein befreundeter Fotograf hat in der Ukraine mitten im Krieg fotografiert. Und es ist erstaunlich: auf seinen Bildern ist so viel Leben. Viele Mini-Augenblicke, die den Menschen Hoffnung und sogar Freude bereiten. Ein alter Mann tanzt mitten in Lwiw auf der Straße. Familien sitzen in der Sonne mit einem großen Eis in der Hand. Solche Bilder sind für mich echte Hoffnungsbringer. Und ich bete darum, dass alle Menschen, die in zermürbenden Situationen leben, auch solche Hoffnungsbringer erfahren.

Der Krieg kennt keinen Urlaub - das Leben auch nicht.

Ich wünsche Ihnen viele Hoffnungsbringer und eine gute Nacht.

 

Kontakt zur Sendung

Katholischer Rundfunkbeauftragter für Das Wort zum Sonntag für den WDR

Dr. Philipp E. Reichling OPraem
Telefon   0221 / 91 29 782
E-Mail     philipp@katholisches-rundfunkreferat.de 
Internet   www.kirche-im-wdr.de

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