Kurz vor den schönsten Wochen des Jahres haben wir noch ein Gefühl für Weltuntergang bekommen. Bunkerbrecher, Hyperschallraketen, Tote und die Angst, dieser Konflikt könnte sich ausweiten. Pfarrer Conrad Krannich aus Halle spricht in seinem Wort zum Sonntag über Urlaub in einer Welt in Flammen.
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Guten Abend,
ich bin mit Sicherheit nicht der Einzige: reif für Urlaub. In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt ging’s jetzt los – sie sind diesmal die Ersten mit Sommerferien. Abstand von Schule und Weltlage, von Arbeit und Alltag – ich gönne es allen von Herzen. Denn was war das bitte wieder für eine Woche? Kurz vor den Ferien nochmal den Weltuntergang proben.
Als ich hörte von den Bunkerbrechern hier und Hyperschallraketen dort, da habe ich mich kurz gefragt: Ist es jetzt so weit? War’s das?
Ich habe dann Mitte der Woche mit meinem Freund Amir telefoniert. Amir wohnt in Tel Aviv, zusammen mit seinen beiden Kindern. Nach dem Wahnsinn der vergangenen Tage rufe ich ihn an, und er sagt: "Conrad, ich glaube, es ist vorbei." Ich spüre seine Erleichterung – und merke, wie auch ich selbst tief durchatme.
Mit "vorbei" meint Amir die Raketenangriffe aus dem Iran. Und Amir freut sich jetzt nicht auf Urlaub, sondern auf Alltag. Seine Kinder wiederum freuen sich sogar auf die wenigen verbleibenden Schultage, bevor auch in Israel die Ferien beginnen.
Erleichterung auch bei einem anderen Freund. Dienstag treffe ich ihn in seinem kleinen Café in Halle: Farhad. Er kommt aus dem Iran, seine Familie lebt noch immer dort, mitten in Teheran. Während der israelischen und amerikanischen Luftangriffe hatte sie die Stadt verlassen. Jetzt kehrt sie zurück – hoffnungsvoller als noch vor einer Woche.
Farhad sagt: "Vorbei ist das alles noch lange nicht. Aber im Iran werden gerade andere Stimmen hörbar – und zwar auch auf der politischen Bühne. Stimmen, die sagen: ‚So geht es nicht weiter. Das muss jetzt allen klar sein. Es muss sich etwas ändern.‘" Und auch Farhad erlebe ich gerade zuversichtlicher als seit vielen Jahren. Er sagt: "Es kommt gerade etwas in Bewegung."
Mir selbst fällt es gerade richtig schwer, das alles zusammenzubringen – und zusammenzuhalten. Die einen warten auf den Urlaub, die anderen auf einen Tag ohne Tod aus der Luft.
Martin Luther, der Reformator, hat für solche Momente mal Folgendes vorgeschlagen: "Wenn die Welt morgen untergeht", soll er gesagt haben, "dann würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen."
In meiner eigenen Verzweiflung über den Krieg im Nahen Osten und die Angst, dass er sich ausweitet, habe ich letzte Woche tatsächlich ein Apfelbäumchen gekauft – als Erinnerung für mich als Christ, zuversichtlich zu bleiben. Malus domestica Elstar, 39,50 Euro im Baumarkt. Der steht jetzt erstmal auf unserem Balkon. Die Welt hat sich ja dieses Mal noch weitergedreht. Aber trotzdem – einpflanzen werde ich ihn. Präventiv. Für dunkle Tage.
Als Christ glaube ich an das Leben mehr als an den Tod. Und auch mich kostet das manchmal richtig viel Kraft. Da hilft es, etwas dafür zu tun – zum Beispiel etwas zu pflanzen. Wer pflanzt, glaubt an morgen.
"Was gibt dir denn Kraft in diesen Tagen?", frage ich meinen israelischen Freund Amir. "Was hilft dir, nicht durchzudrehen?" Amir sagt: "Dass ich gebraucht werde. Dass ich Menschen um mich herum unterstützen kann – meine Eltern, meine Kinder, meine Nachbarn. Das ist so ein großer Trost. Und was mir auch hilft, ist die Erinnerung: Auch diese Katastrophe wird ein Ende haben. Wenn das alles vorbei ist, werden wir etwas Besseres aufbauen. Der Tag wird kommen."
Ja, das wird er. Darauf vertraue ich, das glaube ich.
Und Ihnen wünsche ich einen guten Sonntag.