Der Evangelische Rundfunkgottesdienst - live im Deutschlandfunk um 10.05 Uhr - wird am Ostermontag aus der Luisenkirche in Berlin-Charlottenburg übertragen.
Für viele gehört der Osterspaziergang zu den Feiertagen: Im Gehen entsteht eine Verbindung, geraten Gedanken in Bewegung, lassen sich Gefühle leichter aussprechen. So ging es damals zwei Jüngern auf ihrem Weg nach Emmaus: Sie teilen miteinander ihre Trauer um Jesus, den Gekreuzigten. Ein dritter Mann schließt sich ihnen an. Sie erkennen erst, dass es der auferstandene Jesus ist, als er am Abend mit ihnen Brot teilt.
Der evangelische Gottesdienst am Ostermontag, 21. April 2025, aus der Luisenkirche in Berlin-Charlottenburg verbindet den biblischen Gang nach Emmaus mit dem berühmten Osterspaziergang Johann Wolfgang von Goethes. Der Deutschlandfunk überträgt live von 10.05 bis 11.00 Uhr.
In ihrer Predigt wirft Pfarrerin Anne Hensel einen Blick darauf, wie Menschen heute unterwegs sind: Was liegt hinter ihnen? Was bewegt sie? Und wohin geht meine Reise? Manches muss erst im Gespräch bewegt werden, um nicht stehenzubleiben, sondern Fortschritte machen zu können. Ostern bedeutet: Gott geht mit. Er ist uns nahe.
Die musikalische Leitung hat Luisenkantor Jack Day (Orgel). Er wird begleitet von Percy Pursglove (Trompete). Die Lesungen und Liturgie gestaltet Lektor Charles du Vinage zusammen mit Pfarrerin Anne Hensel.
1. EG 100, Strophen 1 bis 3: Wir wollen alle fröhlich sein
2. EG 97: Kyrie eleison
3. EG 100, Strophen 4 bis 5: Wir wollen alle fröhlich sein
4. -5. EG 117, Strophe 1 bis 3: Osterspaziergang
5. EG 398, Strophen 1 und 2: In dir ist Freude (Text: Jörg Zink)
6. EG 209, Strophen 1, 3 und 4: Ich möcht, dass einer mit mir geht
7. EG 361, Strophe 1: Befiehl Du Deine Wege
8. Wir haben Gottes Spur festgestellt
9. EG 398, Strophen 1 und 2: In dir ist Freude
Predigt nachlesen:
I Mit-Teilen
Menschen sind miteinander auf dem Weg, auf ihrem Osterspaziergang heute.
Sie atmen auf im Licht von Ostern. Sie sehen, wie die Schöpfung aufblüht. Sie erleben Ostern buchstäblich. Sonne von innen und Sonne von außen und mein Blick auf mein Leben kann sich verändern.
Menschen sind miteinander auf dem Weg. Sie sind in Bewegung. Und sie reden über das, was sie bewegt. Über das, was hinter ihnen liegt. Und über das, was vor ihnen liegen könnte.
Auf ihrem Weg, den sie bereits gegangen sind und den sie noch gehen werden.
Be-Wegung ist ein wunderbar anschauliches Wort für das Auf-dem-Weg-Sein.
Denn manches muss bewegt werden, ganz buchstäblich,
um nicht stehenzubleiben, sondern Fort-Schritte machen zu können.
Menschen sind miteinander auf dem Weg und teilen ihre Gedanken miteinander.
Sie teilen einander mit, was sie bewegt, was sie auf den Weg gebracht hat.
Da sind die beiden Jünger auf dem Weg von Emmaus nach Jerusalem. Wir gehen mit und hören zu. Sie reden von dem, was hinter ihnen liegt. Traumatische Erlebnisse. Eine Riesen-Enttäuschung, ein abruptes schreckliches Ende. Gestorbene Träume, begrabene Zukunftshoffnungen. Sie sind erstarrt vor Enttäuschung und gelähmt vor Angst. Und trotzdem weiter in Bewegung:
Sie bewegen diese bewegenden Ereignisse hin und her, miteinander.
Szenenwechsel: Ich höre zwei Männer im Flugzeug nach Damaskus. Nach über zehn Jahren in Deutschland kehren sie in ihre Heimat Syrien zurück. Sie reden von dem, was hinter ihnen liegt. Viele vergebliche Versuche, hier in Deutschland wirklich Fuß zu fassen. Viele demütigende Erfahrungen. Immer wieder schlechte Nachrichten aus der Heimat. Viele Verluste. Die Verzweiflung über die jetzt zunehmend feindliche Atmosphäre ihnen gegenüber und die Angst vor einer eventuellen Abschiebung. Deshalb jetzt die Entscheidung zurückzugehen, die sich wie eine Niederlage anfühlt. Und die Ungewissheit, wie es weitergeht in ihrem Heimatland, das ihnen fremd geworden ist.
Noch ein Szenenwechsel: Ich höre Menschen auf ihrem Osterspaziergang. Auch sie reden über das, was hinter ihnen liegt.
Bei Goethe heißt es: Sie kommen aus den dumpfen Gemächern niedriger Häuser, aus Druck und quetschender Enge, aus Handwerks- und Gewerbesbanden, also neudeutsch aus vielleicht prekären Wohn- und Arbeitsverhältnissen.
Was aber auch immer sie niedergedrückt und eingeengt hat – nun sind sie im Freien.
Sind sie vom Eise befreit – von gesellschaftlicher Kälte und mentaler Erstarrung?
Und wie ist es bei Ihnen?
Wie ist es bei euch – die ihr heute hierhergekommen seid zum Gottesdienst
oder die ihr jetzt irgendwo unterwegs am Ostermontag seid:
Worüber habt ihr geredet auf dem Weg? Was bewegt Sie? Was liegt hinter Ihnen?
Erfahrungen der letzten Zeit, persönliche Krisen? Wie blicken Sie auf die Zukunft? Worauf schauen Sie?
Auf die politischen Entwicklungen, die so viel Gewohntes auf den Kopf stellen? Auf verlorene Sicherheiten und Verlässlichkeiten? Auf die Veränderungen, die so rasant sind und verunsichern direkt vor Ihrer Haustür und in Ihrem Umfeld?
So viele Erfahrungen, so viele Befindlichkeiten. So viele Lebenswege.
Wir vertrauen sie Gott an und singen: Befiehl du deine Wege – im Evangelischen Gesangbuch die Nr. 361, im katholischen Gotteslob die Nr. 418.
II Ent-Decken
Menschen sind miteinander auf dem Weg. Und sie machen dabei Entdeckungen. Das heißt, sie bemerken oder erkennen etwas, was sie vorher nicht gesehen haben. Vielleicht war es verborgen. Vielleicht stand etwas davor, vielleicht lag etwas im Weg. Vielleicht war es auch verborgen unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit. Hinter einem Tränenschleier oder einem Verdunkelungsvorhang von Enttäuschung oder Resignation.
Vielleicht hat auch der Sperrriegel eines Tabus oder Verbots oder Verwirrung oder Desinformation blind gemacht.
Aber all dies kann überwunden werden auf dem Osterspaziergang:
Entdeckungen, also ein "Ent-decken" wird möglich, weil jemand die Decke, die Hülle, die Abdeckung wegnimmt und zeigt, was darunter oder dahinter liegt.
Es ist ein Wendepunkt in dieser Geschichte:
Den beiden Emmaus-Jünger gehen die Augen auf und die Herzen brennen.
Sie erkennen, dass der Tod nicht das letzte Wort hat.
Sie werden ermutigt und gestärkt – viel mehr, als ein Bissen Brot das vermag.
Solche Wendepunkte gibt es unterwegs. Auch im Flugzeug nach Damaskus.
Da dreht sich ein anderer Passagier um.
"Adil", sagt er, "du bist doch auch aus Idlib, oder? Bist du nicht ein Cousin von Djamal bin Amir? Wir haben mal zusammengearbeitet. Aber er ist schon wieder in Idlib. Ich hatte befürchtet, er sei beim Erdbeben ums Leben gekommen. Er ist gerade Vater geworden, und er baut ein Haus für seine Familie. Du wirst ihn treffen, ich hab seine Handynummer."
Er greift in seine Tasche und holt ein Päckchen Datteln hervor. "Hier, Bruder, nimm." Und sie teilen. Der andere wird ermutigt und gestärkt. Viel mehr, als eine winzige Dattel das vermag.
Unterwegs im Gespräch erscheinen die Dinge in einem anderen Licht.
Wie auf dem berühmten Osterspaziergang.
Goethe sieht farbenfrohes Getümmel, gegen all das eingetrübte Grau und Schwarz.
Die Erde überzieht sich mit leuchtendem Grün. Knospen brechen an Zweigen hervor, die zuvor tot erschienen.
Sie erzählen dir, dass der Tod und das Grauen nicht das letzte Wort haben.
Können Sie es sehen? Können Sie es entdecken? Draußen oder drinnen? Für dich?
Wir singen von den Spuren Gottes.
III Am Ziel?
Wohin gehen sie, all die Menschen auf dem Weg? Was ist das Ziel ihrer Wege?
Wohin gehen wir? Immer nach Hause, sagt der Dichter Novalis.
Die Emmaus-Jünger sind auf dem Weg nach Hause in ihr Dorf, die syrischen Männer im Flugzeug auch.
Die Osterspaziergänger heute vielleicht erst einmal nicht.
Das ist auch nicht entscheidend. Ein Spaziergang muss ja erst einmal kein buchstäbliches Ziel haben. Der Gang selber ist auch ein Ziel. Absichtslos manchmal.
Aber irgendwann geht es wieder nach Hause, geht es heim.
Und wenn wir das Heimgehen wörtlich nehmen, dann ist es auch noch ein anderes Zuhause, das wir suchen.
Nämlich ein Zuhause unabhängig von dem, was in unserem Personalausweis steht.
Das Zuhause, das uns am Ende unseres Lebens-Weges verheißen ist –
weil der Tod eben nicht das letzte Wort hat, sondern der Anfang von etwas Neuem ist.
Das nimmt dem Tod den Stachel,
und es will uns die Angst nehmen vor diesem allerletzten Gang, der aus dem Leben hier führt.
Der Prophet Jesaja malt ein fantastisches Bild von diesem Ziel des Weges, diesem Zuhause.
Es liegt auf einem Gipfel, auf einem Berg. Die Wege dorthin sind mühsam gewesen, es ging oft bergauf.
Und mit dem großartigen Überblick auf dem Berg wird dort ein großes Festmahl gefeiert.
Alle Menschen nehmen teil. Es ist eine interkulturelle und internationale Gemeinschaft, in der Unterschiede keine Rolle mehr spielen. Es gibt reichlich und üppig zu essen, ohne Sparen und Verbote. Reiner Wein wird eingeschenkt, unvermischt und ungestreckt, ehrlich und echt. Alle Verhüllungen und Verkleidungen und Verdeckungen können abgelegt werden. Tränen werden getrocknet, Schmach und Scham werden aufgehoben.
Die Freude ist vollkommen. Schöner als jeder Osterspaziergang. Der ist ein Vorgeschmack.
Diese Vision vom Ziel beim Propheten Jesaja hilft uns, Spuren davon auf unseren Wegen zu erkennen.
Die Augen werden dadurch geöffnet dafür, wie es jetzt schon sein kann, sein sollte.
Dann ist Ostern im Hier und Jetzt. Hören wir, was der Prophet Jesaja schreibt.
Amen
Es gilt das gesprochene Wort.
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Rundfunkbeauftragte & Senderbeauftragte für den rbb
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Tel. 030-243 44 – 564