Das Wort zum Sonntag: "Das Fest der Narren"
Pfarrer Michael Broch
09.02.2013 22:10

Narren, nichts als Narren sind hinter mir an diesem Narrenbrunnen zu sehen. Ein Fest der Narren. Dieser Brunnen befindet sich in Weil der Stadt. Weil der Stadt in Württemberg ist eine der Hochburgen der schwäbisch-alemannischen Fasnet. Mit ihren Masken und der Guggenmusik trägt diese Art Fastnacht archaische, skurrile und geisterhafte Züge. Die Bayern feiern Fasching. Und im rheinischen Karneval steht das Jeckenhafte im Vordergrund. Die so genannte “fünfte Jahreszeit” – oft mit großem Ernst begangen – ist tief in den jeweiligen Gegenden verwurzelt.

 

Viele mögen diese närrische Zeit. Ich mag sie, auch wenn ich nicht gerade in einer närrischen Hochburg lebe. Und ich schätze auch die, die nicht viel von derart tollen Tagen halten - indem ich sage: “Ich bin ein Narr und du bist ein Narr – laßt uns gemeinsam darüber lachen! (Anthony de Mello) Und wer aus frommen Gründen meint, den Fastnachtern heidnisches Treiben vorwerfen zu müssen, den möchte ich daran erinnern: Fastnacht, Fasching, Karneval sind keine Überbleibsel aus germanisch-heidnischer Vorzeit. Sie haben ihre Wurzeln im christlichen Jahresrhytmus.(Werner Mezger) Bevor die Zeit des Verzichts, die 40-tägige Fastenzeit beginnt, sollen sich die Menschen nochmals so richtig vergnügen.

 

Eine Maske aufsetzen - das ist auch ein Schutz. Ich kann ein anderer sein. Ich kann mich geben, wie ich es sonst nicht tue – weil ich mich nicht traue; weil ich mich nicht blamieren will; vielleicht, weil ich sonst ein schlechtes Gewissen hätte. Ich bin immer wieder erstaunt, mit wie wenig Mitteln man sich verwandeln kann. Vor allem macht es Spaß, aus der Alltagsrolle heraus zu schlüpfen und einmal anders sein zu dürfen. Wenn die Anonymität einer Maske nicht dazu mißbraucht wird, jemandem zu nahe zu treten oder gar aufdringlich zu werden.

 

 

Fastnacht ist auch ein Ventil gegen das “Funktionierenmüssen”. Dieses Ventil ist ein Grundbedürfnis, das in den vergangenen Jahrhunderten alle Systeme überlebt hat. Bestehende Ordnungen und Machtverhältnisse werden für einige Wochen auf den Kopf gestellt.

 

Im Mittelalter haben sich Arme als Reiche verkleidet, Untertanen als Mächtige, und sie haben sich auch so benommen. Das ist heute nicht anders, wenn Rathäuser gestürmt werden. Wenn in Büttenreden und auf Umzugswagen Banker und Politiker aufs Korn genommen und ihnen die Leviten gelesen werden. Das macht Sinn, ist irgendwie befreiend und ist auch noch spassig. Wenn dabei nicht jeglicher Respekt vor einer anderen Person verloren geht.

 

Diese närrische Zeit ist irgendwie umstürzlerisch, revolutionär – allerdings gewaltfrei, manchmal etwas derb, aber meistens witzig. Kritisches kommt an, ohne weh zu tun.

 

Lachen und feiern, tanzen und ausgelassen sein macht vor allem Spaß und ist ein Mittel gegen die Traurigkeit, “wenn die Seele ermüdet”. (Thomas von Aquin) Und es ist so gut wie sinnvoll, dieser Ermüdung der Seele entgegen zu wirken – mit oder ohne Fastnacht, Fasching, Karneval.

 

 

Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag und wenn Sie wollen - wie man bei uns sagt – eine “glückselige Fasnet”.

 

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