"Damit wir klug werden" ist die Losung des Evangelischen Kirchentages aus Psalm 90. Klugheit ist in erster Linie Selbsterkenntnis. Die ist nicht automatisch da; im Alltag kommt man meist nicht dazu. In einem anderen Psalm betet ein Mensch: "Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich's meine" (Ps. 139,23). Mich selbst wahrnehmen, mich erkennen, wie ich es meine: dazu muss ich ehrlich mit mir selber sein und stark, mutig genug, um mich zu ertragen, in der Gewissheit, dass Gott mich erträgt und trägt.
Einfach ist das nicht: "Die meiste Zeit des Lebens gehen wir durch Schmerz"; stell dich deinem Schmerz – sagt John Lennon von den Beatles.
Manchmal erlebe ich es genauso: Was jetzt kommt, ist nicht zu umgehen.
Ich fühle mich ausgeliefert, einsam. Ich komme da nicht heraus, ich bin gefangen in meiner Angst.
Oder ich merke: Ich bin nicht mit mir und der Welt im Reinen. Die Fragen werden immer mehr, sie türmen sich vor mir auf. Alles wächst mir über den Kopf.
Wenn ich eine Frage geklärt, ein Problem gelöst habe, stellt sich mir das nächste entgegen. Es wird nicht weniger.
Und dabei dachte ich: Das Ende der Fahnenstange ist schon längst erreicht.
Ich rufe nach Befreiung aus meiner Angst.
Am Ende der Fahnenstange, wenn nichts mehr geht, wo kann es da noch hingehen?
Es bleibt nichts anderes als dass ich mich fallen lasse.
Es kann sein, dass ich auch tatsächlich erst auf die Nase falle, bevor ich zur Besinnung komme. Aber es gibt noch ein anderes Fallen:
Ich lasse mich fallen. Ich lasse fallen, woran ich mich festhalte.
Ich lasse die Fragen fallen, die an mir kleben, die Probleme fallen, die mich in Beschlag nehmen.
Ich bin doch mehr als ein Bündel von Angst, mehr als das Bündel von Fragen.
Was bin ich mehr?
Ich bin mehr als mein Fragen.
Ich bin.
Ich bin doch, das ist die Antwort. Ich bin der, der ich bin mit meiner Angst, mit meinem Mut, mit meiner Hoffnung – mit meinem Namen und meiner Geschichte.
Ich bin getragen von einem, der mich meint, wie ich bin: "Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, sagt Gott, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein." (Jes. 43,1)
Ich kann mich fallen lassen in die Hände Gottes, in die Hände von guten Mächten, von Engeln, die mich tragen und aufrichten und Mut zusprechen.
Ich stelle mir das Ende meines Lebens vor:
Ich bin mit mir selbst konfrontiert und sage mir:
Das ist also dein Leben.
Da sind immer noch die Türme von Fragen, der Schmerz. Die sind da, du lässt sie da sein, du kriegst sie nicht weg, aber sie spielen nicht mehr die Rolle, die sie oft gespielt haben.
Jetzt geht es nur um Dich, um Dein Leben als Ganzes.
Du bist da, du liegst da: umgeben von Menschen, die dich liebhaben, die dir zugetan sind.
Das ist das Wichtigste.
Und das nicht nur am Ende des Lebens, sondern schon heute, hier und jetzt.
Wenn die Bibel von Weisheit spricht, dann geht sie davon aus: Gott hat die Ewigkeit in das Herz der Menschen gelegt. Ins Herz, nicht in die Hände! Es geht auch nicht um den Kopf, der plant. Es geht vielmehr um dein Leben als Ganzes, um das, was es kostbar macht, um das, was trägt. Gott hat dir die Ewigkeit ins Herz gelegt: alles, woher du bist, wohin du gehst, was dir Heimat gibt, vor deiner Leistung und allem Planen.
Lehre mich, Gott, das Geheimnis zu verstehen, dass ich bin. Zu diesem Verstehen von Gott her führt mich die Kirchentagslosung "Damit wir klug werden". Es ist ein Gebet, in dem Romano Guardini solchem Verstehen näher zu kommen versucht. Er drückt es so aus:
"Immerfort empfange ich mich aus Deiner Hand. Das ist meine Wahrheit und Freude. Lehre mich, in der Stille Deiner Gegenwart das Geheimnis zu verstehen, dass ich bin. Und dass ich bin durch Dich und vor Dir und für Dich."
Lennon explained to Rolling Stone that, "pain is the pain we go through all the time." Then added: "You're born in pain. Pain is what we are in most of the time, and I think that the bigger the pain, the more God you look for."
Bibelzitate: Psalm 139,23; Prediger 3,11.