Susanne Mierau, Kleinkind-Pädagogin und Familienbegleiterin
„Wir haben unbezahlte Care-Arbeit. Das heißt, ich sorge zum Beispiel für meine Kinder oder sorge für ältere Menschen. Und dann haben wir bezahlte Care-Arbeit. Das sind halt alle, die sich in der Erwerbstätigkeit um andere sorgen."
14.04.2024 08:40

In ihren Büchern (aktuell: „Füreinander Sorgen“, Rowohlt), Workshops und Vorträgen betont Susanne Mierau die Bedeutung von Care-Arbeit, egal ob bezahlt oder unbezahlt: „Wir haben unbezahlte Care-Arbeit. Das heißt, ich sorge zum Beispiel für meine Kinder oder sorge für ältere Menschen. Und dann haben wir bezahlte Care-Arbeit. Das sind halt alle, die sich in der Erwerbstätigkeit um andere sorgen. Also Pflege, Kita, Erzieher*innen und so weiter.“ Auch persönlich hat Mierau erlebt, wie gut Fürsorge, Care, tun kann: „Als mein Vater gestorben ist, vor vier Jahren, da ging es mir auch richtig schlecht und konnte ein paar Tage einfach gar nichts groß machen. Und die Kinder haben das natürlich mitbekommen, wie es mir damit geht, aber eben auch meine Freund*innen. (…) Die waren da, die sind einfach gekommen, haben Essen mitgebracht, sich hingesetzt und mir den Raum gelassen, dass ich was sagen kann oder auch nicht, dass ich schweigen kann. Und ich glaube, so was braucht es mehr.“

Füreinander da sein, das macht uns aus, so Mierau. Doch das wird immer schwieriger. Ein großes Problem sieht sie in der Lebensweise unserer heutigen modernen Gesellschaft: „Wir haben ein Wohnumfeld für Menschen geschaffen, was überhaupt nicht daran angepasst ist, was wir eigentlich brauchen. Also wir sind so vereinzelt, haben zu wenig Unterstützung. Wir brauchen viel mehr Gemeinschaftsräume, Gemeinschaftsorte. Gegenseitiges Kümmern umeinander, dass die Kinder miteinander in Kontakt sind.“

Dies würde auch die Entwicklung von Kindern und der Entlastung von Eltern zugutekommen: „Kinder brauchen sehr, sehr lange sehr gute Betreuung und Begleitung von Bezugspersonen. Es können die Eltern sein, können aber auch andere sein. Und das hat ja, wenn es am Anfang toll ist, lebenslange Wirkung. Also auch präventiv ganz viel. Aber wenn wir das nicht machen, hat das auch lange negative Wirkungen.“

Dabei sieht Susanne Mierau Möglichkeiten, gegenzusteuern: „Wir müssen erst mal anfangen, in unseren nahen Beziehungen was zu ändern und uns viel mehr auf das Miteinander konzentrieren. Gerade wenn man weiß, ich kann was geben, das auch zu tun. Also in der Nachbarschaft, im Freundeskreis mehr andere zu unterstützen, wenn man die Ressourcen hat.“ Und davon profitieren wir dann alle.

„Man sagt, heute war so ein anstrengender Tag, ich kauf mir was Süßes, ich kaufe mir eine Handtasche oder irgendwie so was. Und das braucht es eigentlich nicht. Der Körper braucht jetzt Dopamin-Ausschüttung, aber die kriegt er eigentlich durch schöne Momente miteinander. Aber wir haben das nicht gelernt als Kinder. Da gab es halt auch schon: Dann kriegst du ein Sternchen, oder du kriegst eine Süßigkeit, wenn du das gut gemacht hast. Und so sind wir darauf trainiert, dieses System am Laufen zu halten.“

14. April 2024, 08:40 Uhr in SAT.1

 

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