Morgenandacht
Vertrauen
10.06.2021 06:35

Die Sendung zum Nachlesen: 

Mit einem leichten Ruckeln setzt sich der Zug in Bewegung. Durch das Fenster sehe ich den Bahnsteig und die Menschen darauf an mir vorbeigleiten. Ein paar Sekunden später hat der Zug den großen Bahnhof verlassen und schlängelt sich über viele Weichen und Gleise aus der Stadt heraus. 
Ganz hinten, in der Nähe von abgestellten Passagierwaggons, sehe ich ein paar Gleisarbeiter. Ihre knallorangefarbene Kleidung leuchtet bis zu mir herüber. Hinter ihren Körpern fliegen Funken durch die Luft. Die Arbeiter schleifen oder schweißen an den Schienen. 

Was für eine große Verantwortung, denke ich. Wo täglich so viele Tonnen an Gewicht rollen, ist der Verschleiß sicher groß. Mit ihm steigt auch die Gefahr von Unfällen. Also müssen Teile ausgetauscht oder repariert werden. Aber schon ein nicht richtig verschweißtes Teil oder eine nicht fest angezogene Schraube können ausreichen, um einen schweren Unfall zu verursachen. Wenn ich mit der Bahn reise, habe ich deshalb neben Fahrtkarte, Smartphone, Tablet, Essen und Trinken immer auch eine große Portion Vertrauen mit dabei.

Letzteres ist dabei ein immens wichtiges Gepäckstück. Nicht nur auf meinen beruflichen und privaten Reisen, sondern auf der Reise durchs Leben sozusagen.  Es führt kein Weg daran vor-bei: Leben kann ich nur, wenn ich anderen vertraue. Ich kann ja nicht alles selbst bzw. alleine machen und mich um sämtliche Dinge kümmern. Wenn mir der Arzt ein bestimmtes Medika-ment verordnet – dann muss ich darauf vertrauen, dass es mich gesund macht. Wenn der Elektriker oder der Installateur Leitungen in meiner Wohnung erneuert – dann muss ich darauf vertrauen, dass beide wissen, was sie tun. Wenn ich mein Kind in die Kita bringe – dann muss ich darauf vertrauen, dass die Erzieher und Erzieherinnen sich dort gut kümmern. 

Im Verkehr wird mir die Notwendigkeit von Vertrauen in andere besonders deutlich. Da sind die Gleisarbeiter, die Teile der Strecke reparieren, auf der ich reise. Da sind die Piloten, die das Flugzeug fliegen, in dem ich sitze. Die Lokführer, Busfahrerinnen. Und – nicht zu verges-sen: Da bin ich, wie ich mit dem Auto über die Autobahn brettere. Auch in mich brauche ich also ein gewisses Vertrauen. 

Eine Garantie dafür, dass ich sicher und heil an meinem Ziel ankomme – die gibt es nicht. Ein kleines Stück Unsicherheit bleibt immer. Nichts ist perfekt, jeder macht Fehler – es kann also immer etwas passieren. So wie gerade mit der Seilbahn am Lago Maggiore. Manchmal macht mir das Angst. Dann muss ich mich geradezu zwingen, an etwas anderes zu denken, weil ich ansonsten das Gefühl bekomme, völlig hilflos zu sein. Furchtbar. Und gefährlich. Denn sollte dieses Gefühl die Oberhand bekommen – dann würde ich wohl nur noch zu Hause sitzen und mich auch dort nicht vom Fleck rühren. Und selbst dann wüsste ich: auch hier gibt es keine absolute Sicherheit. Mit Leben hätte das nur noch wenig zu tun. 

Deshalb habe ich an meinem Schlüsselbund einen Engel. Auf jeder Reise ist der mit dabei. Er ist aus Metall, drei Zentimeter groß und grinst mich fröhlich an. Dieser Engel erinnert mich daran, was Gott durch den Propheten Jesaja gesagt hat: "Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit" (Jesaja 41,10).

Mit anderen Worten: Egal, was passiert - ich kann darauf vertrauen, dass Gott mich begleitet. Er ist nicht derjenige, der die Gleise repariert, er fliegt nicht das Flugzeug und er lenkt auch nicht das Auto. Er ist der, der einfach da ist! Bei mir, bei meinen Mitreisenden und bei all den Menschen, denen ich vertrauen muss. Zum Beispiel den Bahnarbeitern auf den Gleisen.
 

Es gilt das gesprochene Wort.