Keep Calm

Gedanken zur Woche
Keep Calm
15.01.2016 - 06:35
27.12.2015
Ulrike Greim

Es war ein Propagandaposter anno 1939. Das britische Informationsministerium hatte es drucken lassen während des Krieges. Es zeigt ein kleines Krönchen auf diesem Spruch: Keep calm and carry on. Ruhig bleiben und weitermachen.

Eine Devise, die in Krisenzeiten heilsam und notwendig ist. Es ist wichtig, auch unter Anspannung seine Arbeit zu machen. Sich nicht ablenken zu lassen von den Meldungen, die hohe Wellen schlagen. Sie zu sehen, aber sie nicht zu fürchten. Keep calm and carry on.

Nervös ist unser Land, leicht erregbar, überhitzt in den Debatten. Tendenz zu unüberlegten Reaktionen. Lähmung macht sich breit. Oder aber Aggression.

Die Bereitschaft, sich zu fürchten, ist enorm. Und allein die Nachrichten der letzten Tage geben dafür Anlass. Allen voran der Selbstmordanschlag in Istanbul. Herr im Himmel, ich bitte dich für die Getöteten. Für die, die um sie trauern.

Wie nah rückt uns der Terror? Müssen wir uns fürchten?

Bevor wir ein Thema zu Ende denken können, stehen schon die Demonstranten auf der Straße. Die einen mit Argumenten, die anderen mit der Faust. Diese Woche in Connewitz.

Eine Welle der Gewalt kommt nach der anderen. Eine Welle der Empörung nach der nächsten klatscht an meinen Bug. Mal von links, mal von rechts.

Nach Köln träume auch ich schlecht: Gehe abends durch eine menschenleere Straße und vier Afrikaner kommen provozierend auf mich zu. Herr im Himmel halte mich. Ich wache auf. Klatsch. Eine Angstwelle von links.

Ich verfolge die hoch emotionalisierte Debatte nach Köln. Und weiß: jetzt ist die Hetzjagd auf männliche Flüchtlinge eröffnet. Klatsch, eine Angstwelle von rechts.

Die polnische Regierung bringt ihre Presse auf Linie. Klatsch, eine Welle von rechts.

Einer der Attentäter von Paris war in einer Recklinghäuser Flüchtlingsunterkunft gemeldet. Sind da noch mehr Terroristen in den Turnhallen? Klatsch, eine Welle von links.

Tatjana Festerling ruft den Legida-Demonstranten zu, sie sollen zu Mistgabeln greifen und – Zitat „diese volksverratenden Eliten aus den Parlamenten, Gerichten, Kirchen und Pressehäusern prügeln.“ Klatsch, eine Welle von rechts.

Der CDU-Generalsekretär fordert 1000 Abschiebungen täglich. Wieder eine Welle von rechts.

Mein Boot wird zum Spielball. Mein Land wird kräftig hoch gehoben und herunter gerissen.

Keep calm and carry on.

Dunkel ist es und ruhig über dem See. Eigentlich muss sich hier niemand fürchten. Normalerweise. Aber jetzt ist es anders. Die Wellen schlagen hoch. Die Kerle im Boot auf dem See Genezareth bekommen Respekt. Fischer, gestandene Männer. Petrus und seine Leute haben alle Hände voll zu tun. Wie das Boot ruhig halten bei diesem Seegang? Sie starren auf die Wogen, die immer bedrohlicher werden. Sie klammern sich fest, die Wellen schlagen ins Boot.

Und Jesus liegt im Bootsbauch und schläft.

Sie können es nicht fassen, bedrängen ihn: „Siehst Du denn nicht, Jesus, was hier los ist?“

Die Männer stieren auf die Wellen. „Sie werden uns verschlingen. Wir werden aufgefressen werden. Mit Haut und Haaren.“

Die Wellen sind grau und schwarz, schäumen bedrohlich. Viel Gischt.

Die Wellen heißen Flüchtlingsflut oder german angst, sie heißen braune Brut oder schwarzer Mann.

Wer sich fürchten will, findet ohne Ende Wellen.

Jesus, sag was!

Er stellt sich an die Reling. Für seine Männer. Wenn es sie so ängstigt, dann sagt er eben was. Zu den Wellen: „Schweigt.“

Die Wogen glätten sich. Die See wird ruhig. Stille. Sie hören nur noch ihre Herzen pochen.

Er fragt: Wo bleibt euer Glaube?

Also will ich glauben. Jesus, komm und gebiete den Wellen, zu schweigen. Damit ich wieder ruhig atmen kann. Damit ich meine Hände wieder frei habe, um meinen Job zu machen. Ich will es versuchen: Keep calm and carry on. Bis wir das Ufer erreichen.

Du hast ja selbser gesagt, wir wollen über den See fahren. Ich bin gespannt, wo du mit mir hin willst. Wo du mit uns hin willst.

Haben sie eine Idee? Dann können wir telefonieren. Bis acht Uhr bin ich erreichbar. Die Nummer lautet: 030 - 325 321 344.Oder diskutieren sie mit auf facebook unter ‚deutschlandradio.evangelisch’.

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27.12.2015
Ulrike Greim