Splendid Isolation

Morgenandacht
Splendid Isolation
14.06.2016 - 06:35
27.12.2015
Pfarrerin Angelika Obert

Wer Geld hat, kann sicher leben. Wer viel Geld hat, gehört zur Oberschicht. Wer sehr viel Geld hat, dem stehen alle Türen offen. So glauben wir. Aber Jesus denkt anders. Er stellt unseren Glauben auf die Füße und behauptet: Gerade die Reichen leben gefährlich. Gerade ihnen droht die Isolation hinter verschlossenen Türen. Denn dass es mit ihrem Wohlstand seine Richtigkeit hat, müssen sich die Reichen ja einreden und darum auf Distanz gehen zu den vielen Anderen, die nur wenig haben. Diese Anderen – sie sind in ihren Augen dann eben untüchtig, Leute, die es zu nichts gebracht haben. Man hält sie sich vom Leib und von der Seele.

 

Dieser Abstand, den die Reichen um sich schaffen, der wird am Ende für sie lebensbedrohlich, sagt Jesus und erklärt das wie immer in einem Gleichnis. Er erzählt von einem reichen Mann, der – wie es sich gehört – gut gekleidet, gepflegt und gesund auf einem ordentlichen Grundstück lebt. Irgendein reicher Mann ist das, er kann wohl auch für eine reiche Gesellschaft stehen oder für eine reiche Region.

 

Vor seiner Tür liegt ein sehr armer Mensch, der hat weder Kleidung noch Haus noch Pflege. Die nackte Haut ist ihm schon kaputt gegangen, mit Ausschlag bedeckt. Normalerweise liegen solche Leute ja nicht direkt von den Häusern der Reichen. Es wird dafür gesorgt, dass sie in den guten Wohnvierteln unsichtbar bleiben. Aber „vor der Tür“ - das bedeutet in der Jesus-Geschichte wahrscheinlich so etwas wie „vor der Grenze“.

 

Vor der Grenze liegt der Arme, der auf den Namen „Lazarus“ hört, was so viel bedeutet wie „Gott hilft“. Doch es sieht nicht danach aus, als ob Hilfe für ihn vorgesehen ist, denn nur die Hunde kommen, um seine Wunden zu lecken. Lazarus vor der Tür des reichen Mannes plant keinen Einbruch. Er will auch keine Revolution machen. Er hofft bloß, dass er von den Resten etwas abbekommen könnte, die im Haus des Reichen anfallen.

 

Das aber fällt dem Reichen nicht im Traum ein. Er hat schließlich seine eigenen Sorgen. Der Bettler vor der Tür ist für ihn ein Ärgernis und eine Bedrohung. Man stelle sich nur vor, er würde ihn wirklich versorgen: Wie viele Lazarusse würden sich dann bald vor seinem Grundstück tummeln! Und wer weiß, was die dann noch im Schilde führen! Nein, ihn kann dieser Kerl nicht kümmern – oder doch: Er kümmert sich schon, er lässt die Hecke höher wachsen, eine Kamera aufstellen, die Alarmanlage überprüfen. Er sorgt dafür, dass Lazarus nicht in sein Leben eindringen kann.

 

Und dann ist der Arme eines Tages wieder weg. Von seinen Leiden erlöst, kann man in seinem Fall sagen. Endlich geborgen bei Gott, aufgenommen in Abrahams Schoß.

 

Aber auch der Reiche lebt nicht ewig. Auch er stirbt, nur ist er nicht erlöst. Er findet sich  in der Unterwelt wieder, schrecklich einsam, ausgedörrt, verwelkt. Doch kann er, wenn er aufschaut, sehen, dass es da in der Himmelsferne Leben gibt, Lazarus in Abrahams Schoß. Und nun fängt der Reiche an zu betteln: Ob nicht Lazarus mit einem Tröpfchen nur vom Wasser des Lebens ihm die Lippen benetzen könne?

 

Er  bittet vergebens. Zu groß sei der Abgrund zwischen Lazarus und ihm, wird ihm gesagt. Der ließe sich nun nicht mehr überbrücken.

 

So die Geschichte, die Jesus erzählt. Sie handelt nicht von Lohn und Strafe in dem banalen Sinn: Der Reiche wird bestraft, der Arme belohnt. Sie handelt vielmehr vom Abgrund, von dem riesigen Abstand, den der Reiche zum Armen selbst geschaffen hat.

 

Unter diesem Abstand muss er am Ende leiden, buchstäblich austrocknen in seinem Eingeschlossensein – dafür ist die Hölle ja ein Bild.

 

Am Ende der Geschichte habe ich Mitleid mit dem reichen Mann. Ich glaube, Vielen geht es so. Am Ende fragt man sich: Warum kann der Himmel nicht etwas gnädiger sein? Warum darf Lazarus den Reichen nicht ein bisschen trösten? Aber da sehe ich, wie Jesus lächelt: Sieh an, jetzt hast du Mitleid. Du möchtest einen barmherzigen Gott, der sich dir zuneigt. Und warum bist du dann kein barmherziger Mitmensch?

27.12.2015
Pfarrerin Angelika Obert