Ruth, die Migrantin

Wort zum Tage
Ruth, die Migrantin
19.09.2015 - 06:23
25.06.2015
Pfarrerin Angelika Scholte-Reh

Wenn es nicht genug zum Leben und keine Perspektive für die Kinder gibt, machen Menschen sich auf den Weg, um einen besseren Ort zum Leben zu finden. So auch Elimelech und seine Familie, seine Frau Noomi und ihre beiden Söhne, von denen die Bibel erzählt. Sie flohen aus der Hungersnot in Israel und gingen in das Land Moab. Dort gab es Arbeit und ein Auskommen. Sie waren, so würden wir das heute nennen, Arbeitsmigranten. In der Fremde heirateten die beiden Söhne. Und dann starben kurz nacheinander alle drei Männer. Noomi und ihre beiden Schwiegertöchter Ruth und Orpa bleiben zurück. Witwen sind sie nun. Noomi will zurück in ihre Heimat Israel. Den moabitischen Schwiegertöchtern rät sie, zu ihren Familien zu gehen, wieder zu heiraten, ein neues Leben zu beginnen. Orpa folgt ihrem Rat. Doch Ruth bleibt und geht mit der Schwiegermutter. Sie will sich auf das Volk Israel und den Glauben in der neuen Heimat einlassen. Nun ist sie die Migrantin, anders gekleidet als die Einheimischen, mit einem Akzent in ihrer Sprache, der sie als Fremde erkennbar macht.

 

„Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst." (3. Mose 19,33+34) Das sind Worte aus dem 3. Buch Mose, Worte für die Menschen des Volkes Israel, die festhalten, dass es wirtschaftliche Notsituationen geben kann, in denen Menschen auf der Suche nach Brot und Freiheit, nach Arbeit und einem Zuhause sind. „Du sollst ihn lieben wie dich selbst.“ Wer weiß schon, ob er oder sie nicht selbst in die Situation kommt, weggehen, neu anfangen, in der Fremde Heimat suchen zu müssen?

 

Die Moabiterin Ruth findet in Israel Menschen, die ihr helfen und sie willkommen heißen. Sie heiratet und wird so die Großmutter des großen Königs David und eine der Ahnmütter Jesu, erzählt die Bibel. Wie anders sähe der Geschichte der Welt aus, wenn nicht damals Menschen Flüchtlinge und Fremde willkommen geheißen hätten, damit sie sich in ihrer Mitte niederlassen und neue Heimat finden?

Die Menschen, die jetzt hierher zu uns kommen, werden unser Land vielfältiger und reicher machen. Und: Wer weiß, ob unter den Flüchtlingen, die wir jetzt aufnehmen, nicht die Eltern eines bedeutenden Wissenschaftlers sind – oder die Großeltern einer zukünftigen Ministerin?

25.06.2015
Pfarrerin Angelika Scholte-Reh