Vom Engel in den Arm genommen

Wort zum Tage
Vom Engel in den Arm genommen
08.12.2015 - 06:23
25.06.2015
Pfarrerin Christina-Maria Bammel

Die einen gedulden sich mit dem Aufstellen der Krippenfiguren bis zum Heiligabend. Jetzt erst recht gilt es zu warten, sagen sie, wo wir so früh mit Weihnachtsfolklore überschwemmt werden. Andere stellen schon in der Adventszeit Tag für Tag eine Krippenfigur dazu. Zum Schluss das Kind. Mein diesjähriges Krippenbild prangt in einem Museum, in der Berliner Botticelli-Ausstellung. Im Zentrum des Gemäldes eine Überdachung vor einer Art Felskluft. Sommerlich grün ist die Landschaft und der Himmel so hell wie an hellsten südlichen Sommertagen. Die mystische Geburt will sich laut Bildtitel zeigen. Die Geburt hat aber schon längst stattgefunden. Das Kind ist da. Und es trägt die hinreißend schönen Züge der Mutter. Beide sind in Licht gebadet. Beide halten Blick zueinander, ein Blick wie ein magisches Band. Maria scheint sich selbst in diesem Gott-Kind zu sehen und sie scheint sich selbst durch dieses Kind näher zu kommen als sie es je vorher vermochte. Gott geboren als ein Kind. Ihn betet sie an, hält ihn im Blick. Und der Blick hält die Zeit an. Oben auf dem Dach der Krippe flüstern drei Gestalten miteinander, die Köpfe dicht zusammen gesteckt. Glaube, Hoffnung, Liebe sind ihre Namen. Ein Buch halten sie aufgeschlagen. Und weiter über ihnen tanzen Engel wohl geordnet, anmutig kreisend. Botticelli hat sie unaussprechlich schön gemalt. Kleine Krönchen fallen zwischen den tanzenden Engeln Richtung Erde. Wem werden diese Krönchen zufallen? Josef dicht neben dem Kind kauert in sich hineingesunken, will einfach nur Ruhe und Stille. Sein Gesicht auf den Knien; es ist nicht zu sehen. Fast berührt ihn von hinten der behutsam ausgestreckte Arm eines Engels. Fast. Mit dem anderen Arm scheint der Engel die zu umarmen, die dazu kommen, als wolle er sie noch näher heranziehen: Bleibt nicht vor Ehrfurcht erstarrt an der Schwelle; kommt näher! Ihr werdet euch selbst und das Geheimnis eures Lebens erkennen. Und Gott in euch. Am meisten rühren mich die Engel noch fernab. Sie umarmen Menschenkinder und wollen sie im Umarmen hochziehen oder wenigstens aufrichten. Je ein Engel umarmt je einen Menschen. Es scheinen noch traurige, schwer gedrückte Menschen zu sein. Aber sie werden aus der Umarmung nicht entlassen. Alle Ungetrösteten, die in diesen Advent unterwegs sind; für mich bleiben sie die von den Engeln Umarmten. Wer weiß, wann die Himmelskronen nicht auch auf ihrem Kopf landen? Und Gott weiß, wann sie sehen werden, so wie Maria sieht.

25.06.2015
Pfarrerin Christina-Maria Bammel