Genug geredet?
Debüt für Pastorin Elisabeth Rabe-Winnen
20.02.2016 22:35

Guten Abend,

 

Ich stehe hier. Sie kennen mich nicht. Warum sollten Sie dem, was ich sage, vertrauen? Ich habe nichts zur Verfügung außer Worten. Warum sollten Sie mir glauben?

16.000 Worte sagt der Mensch. Täglich. Wir reden sozusagen ununterbrochen. Im Schnitt alle 4 Sekunden ein Wort. Wessen Wort schenke ich Vertrauen - und warum?

Ich höre Worte. Von Freunden und Fremden. Aus den Mündern von Politikern und Prominenten. Ich höre Pressestimmen. Ich höre bedeutende Worte in meinem Leben. Und solche, die es sein wollen. Worte, die werben. Die blumig sind. Einschmeichelnd. Oder reißerisch. Worte, die mich beflügeln. Oder tief verletzen.

Zehntausende Worte. Tag für Tag. Und jedes wispert: „glaube mir!“ Und manches Wort glaube ich. Sofort. Bei manchem aber stocke ich: Sind da Interessen im Spiel? Untertöne? Taktisches Kalkül? Wie viel Wahrheit steckt in der Wörterflut?

Die Erfahrung von Lügen und gebrochenen Ehrenworten zeichnet sich wohl in jedes Leben. Und auch ich selbst bin nicht gefeit. Auch meine Worte können verletzen. Und haben es schon. Dann weiter miteinander zu sprechen, fällt schwer. Menschen klappen ihr Visier runter. Werden verhärmt. Oder ziehen sich zurück ins Schneckenhaus.

Misstrauen aber lähmt. Wenn wir alles und jeden hinterfragen, können wir nicht zusammenleben. Wie also ist es möglich, zu vertrauen? Den Worten und denen, die sie sagen?

Ich bin überzeugt: Worte haben Kraft. Sie können trösten. Ein Buch kann mich in seinen Bann ziehen. Die Liebeserklärung berührt. Und manche Worte vergesse ich nie wieder. Wie das erste Wort meiner Tochter. Oder letzte Worte geliebter Menschen.

Worte haben Kraft. Und ich glaube: Vor dem Wort, das entzweit, stand das, das einte. Vor dem, das tiefe Gräben zog, stand das Wort, das das Bündnis schloss. Vor allen bösen Worten steht das gute Wort. Es war zuerst da.

Davon sind auch die Autoren der Bibel überzeugt: Ganz zu Beginn, im allerersten Anfang - da sprach Gott, und die Welt wurde. Und dann sah er alles an, was er gemacht hatte - und siehe, es war sehr gut. Der Mensch - himmlisch erschaffen.

Und es kommt vor: Da blitzt das himmlische Wesen des Menschen auf. Und das Wort fällt aus seinem Mund, als wäre es das erste. Diese Kraft trägt der Mensch in sich. Und dann braucht er weder Ehrenworte noch Schwüre. Und jedes Wort ist wahr.

Es gibt solche Worte, die wieder zusammenführen. Und dann kann es weitergehen.

 

Das erste Wort nach langem Schweigen ist so ein Wort.

Oder das nach einem lauten Streit.

 

In jedem Menschen wohn die Kraft zu solchen Worten.

Die Neues schaffen.

Etwas verändern.

Darauf vertraue ich.

 

Und so halte ich mein Ohr weiter in die Wörterflut. Alle 4 Sekunden eins.

Und suche selber Worte.

Und gebe dem einen Vertrauensvorschuss, der vor mir steht und mir seine Worte gibt.

 

Sendeort und Mitwirkende

Norddeutscher Rundfunk

Redaktion: Eberhard Kügler (NDR)