Liebesträume
Es ist Mai, Wonnemonat. Vor einer Woche feierten wir auch in der Kirche in Lengede eine Hochzeit. Ein anderes Brautpaar stand zeitgleich in London vor dem Altar. Weil ich mittags in der Kirche war, hab ich die Royal Wedding dann abends geguckt, im Internet. Glockengeläut liegt in der Luft und Hup-Konzerte, Luftballons und Tauben fliegen. Die Menschen feiern die Liebe. Und die Liebe ist: eine Himmelsmacht.
Als Pastorin darf ich teilhaben an Liebesgeschichten und an dem großen Herzklopftag der Paare. Sie teilen mit mir ihre Träume vom großen Glück im kleinen Glück. Und sie reden auch über ihre Schwächen und Narben. Und oft tragen die Partner und auch die Partnerschaften schon Wunden - die bringen sie mit in die Ehe. Was ist das für ein Glück: geliebt zu werden. Da ist einer, da muss ich kein Filter auf mein Foto legen. Da ist jemand, die mich sieht, mich, die Narben, die Falten, die Fehler. Und mich liebt. Genau so. Die Liebe ist eine Himmelsmacht. Sie erträgt alles. Sie hofft alles. Sie duldet alles.
Ich bin selbst verheiratet. Ich weiß um meine Grenzen. Um alles, was Bruchstück ist in mir. Und ich sehne mich gerade deshalb danach, heil zu sein. Und da ist ein anderer, der das auch tut. Und gemeinsam haben wir gesagt: Ja! Für ein ganzes Leben. Und mit Gottes Hilfe.
Wir brauchen die Liebe. Jeder. Nicht nur die Liebe unter Paaren. Wir brauchen die Liebe mit Raum für Risse und Bruchstückhaftigkeit. Liebe, die Mut macht - wie Eltern es tun „Du schaffst das!“. Liebe, die vorbehaltlos gibt, wie bei Kindern. Wenn Liebe ehrlich ist, dann fragt sie „Wie geht es Dir?“ und hört zu, egal wie die Antwort ausfällt. Solche Liebe behandelt Menschen mit Respekt, auch im Internet. Und solche Liebe geht nachts ans Telefon, wenn die Freundin anruft. Wir alle brauchen Liebe. Liebe, die zeigt: Du darfst Dich zeigen. So eine Liebe macht wertvoll und macht: „zusammen ist man weniger allein“.
Jeder ist bedürftig nach solcher Liebe. Das Paar aus Lengede genauso wie das königliche Paar. Der Mensch, der nach einer Scheidung erneut Liebe wagt, genauso wie der Single oder die Witwe. Die Kraft der Liebe ist mächtig, uns zu heilen.
Es liegt der Keim der Ewigkeit in der Liebe. Unendlichkeit liegt in ihr. Das ist so. Das ist wahr. Weil die Liebe eine Himmelsmacht ist. Manchmal gibt es Momente mitten im Alltag, da steht die Zeit still und die Ewigkeit steht im Zimmer. Da ist Liebe da. Und heilt für einen Moment alles, was schmerzt.
Bei kirchlichen Trauungen lese ich fast immer das Hohelied der Liebe. „Die Liebe hört niemals auf“, heißt es da. Natürlich wissen wir: Sie kann aufhören. Sie tut es. Ehen zerbrechen. Kinder und Eltern entzweien sich. Freundschaften vergehen. Wir scheitern. Und trotzdem suchen und sehnen wir. Und gehen das Wagnis ein. Auf Hoffnung hin. Und im Vertrauen.
„Die Liebe hört niemals auf.“ Die Liebe, die die Bibel da besingt, ist Gottes Liebe.
Diese Liebe hat der christliche Gott gezeigt, im Antlitz des Menschen Jesu. Diese Liebe können wir entdecken. In uns. Unter uns. So hat es der Bischof letzten Samstag mitreißend gepredigt bei der Hochzeit von Harry und Meghan. Diese Liebe müssen wir entdecken, damit wir verändert werden und die Welt verändern.
Norddeutscher Rundfunk
Redaktion: Eberhard Kügler (NDR)