Evangelische Stadtkirche Walldorf
„Sehnsucht nach Licht“
Gottesdienst aus der Evangelischen Stadtkirche Walldorf
17.07.2016 10:05

Predigt von Pfarrerin Wibke Klomp

„Sehnsucht nach Licht“.

 

„Sonne der Gerechtigkeit gehe auf in unserer Zeit“

Eine starke Bitte.

Das ist die Kernbotschaft des Liedes, das wir grade gesungen haben.

Es gehört bei uns in Walldorf zu den Lieblingsliedern im Gottesdienst.

Es hat Schwung und  Dynamik, der man sich nur schwer entziehen kann und die guttut.

Das Lied singt von der Sonne, sie ist in unserer christlichen Tradition das Symbol für den auferstanden Christus. Sein Licht leuchtet unser Dunkel aus und verheißt uns Hoffnung und Zukunft.

Auch ich singe es gern, weil ich mich darin wieder finde: Mit meiner Sehnsucht nach Gerechtigkeit  Singe es gern auch laut mit, (vielleicht lauter als andere Lieder

weil ich mir das darin verheißene Licht, die strahlende Sonne ganz konkret  für meinen Alltag, herbeisehne.

Als Gemeindepfarrerin teile ich mit vielen Menschen das Leben in seiner ganzen Breite.

Ich höre von dem, was man als „Freud“ und „Leid“  bezeichnet.

Mir begegnet das Leben auf der Straße, bei Besuchen, im Seelsorgegespräch oder beim Einkaufen.

Mir begegnen  Menschen, bei denen das Leben ganz schön zuschlägt.

„Ich kann es nicht mehr ertragen, wie die Kollegen in der Firma mit mir umgehen“

erzählt ein Freund.

Die Nachbarin sieht immer elender aus, schafft es fast nicht mehr, ihren Mann zu pflegen:

Trotz der Hilfe des Pflegedienstes. Es geht über ihre Kräfte.

Zu spüren wie er ihr immer mehr verloren geht und zugleich ihr gegenüber immer aggressiver wird. Das Leben kann ungerecht sein.

Aber auch der Jubel des Asylbewerbers, der endlich nach langen Monaten des Wartens seinen Bescheid zur Aufenthaltsgenehmigung erhalten hat  und sich so unglaublich freut, dass er diese Freude mit allen teilen muss, die ihm in diesem Moment begegnen.  

Das Leben, das mir begegnet, ist gefüllt von Schmerz und Unsicherheit und wieder und wieder dem Gefühl von Ungerechtigkeit, aber das Leben ist auch gefüllt von echter Freude und Momenten des Glücks, in denen es sich wie ein strahlender Sommertag anfühlt.

Und diese Sehnsucht nach gelingendem Leben, diese Sehnsucht nach dem Licht,

möchte ich  gegen alle dunkle Erfahrung des Alltags wach halten.

„Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf zu unserer Zeit“  -  Ja!

Gegen die Ungerechtigkeit ansingen, und sich nicht mit dem, was ist, zufrieden gibt.

Es soll etwas passieren und zwar nicht irgendwie, irgendwo und irgendwann sondern, dass es hier und jetzt auch für die anfängt,

die so laut und mutig singen.

Und, nicht nur für die, sondern auch für die, die es gerne mitsingen würden, aber denen die Kraft dafür fehlt.

In der Evangeliumslesung haben wir gehört, dass Jesus dazu  aufruft, Licht der Welt und  Salz der Erde zu sein.

Ruft Jesus das uns eigentlich nur auf, fordert er das von uns?

Nein, denn  sagt er es uns allen zu.

„Du bist Licht der Welt. Du bist Salz der Erde.“

Ganz von allein. Einfach so. Manchmal vergessen wir das.

Der heutige Predigttext aus dem Epheserbrief nimmt diese Zusage Jesu, dass wir Licht sind, auf. Und er rüttelt seine Zuhörer  wach: Leute, vergesst das nicht!

Hören wir auf die Verse 8-14 aus dem 5. Kapitel des Epheserbriefes:

 

(Lektor)

Aber jetzt seid ihr Teil des Lichts, denn ihr gehört zum Herrn.

Führt also euer Leben wie Menschen, die zum Licht gehören!

– Denn das Licht bringt als Ertrag lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. –

 

Ein solches Leben führt ihr, indem ihr prüft, was dem Herrn gefällt!

Und beteiligt euch nicht an Taten, die der Dunkelheit entstammen und ohne Frucht bleiben. Deckt vielmehr solche Taten auf!

 

Denn es ist schon eine Schande, nur davon zu reden, was da im Verborgenen geschieht.

Aber alles, was aufgedeckt wird, erstrahlt im Licht.

Und alles, was im Licht erstrahlt, ist Teil des Lichts.

Deswegen heißt es:

»Wach auf, du Schläfer und steh auf vom Tod!

Dann wird Christus als Licht über dir aufleuchten.«

 

 

„Sei wach! Prüfe, was dem Herrn gefällt!“ Das muss ich erst einmal wirken lassen.

„Aufdecken!“ heißt es -D.h.  sich nicht mit dem abfinden, zufriedengeben, was an der Oberfläche zu sehen ist.

 

Manchmal denke ich im Moment verschwimmt alles ineinander:

Brexit, Nato-Gipfel in Warschau, Nizza, die Ereignisse in der Türkei in den letzten Tagen. Das Wort „Krise“ wird zum Standard-Vokabular, die Sondersendung zur Standardsendung.

 

Aber wie ist das mit Europa, dem Brexit?

Ich bin 1975 geboren. Für meine Generation ist ein Leben in Europa so selbstverständlich. Die offenen Grenzen, bewusste Vielfalt und Unterschiedlichkeit.
Als wir früher in den Urlaub gefahren sind, gab es oft lange Wartezeiten an den Grenzen. Die Stimmen, die die Grenzen wieder wollen, kann ich nicht verstehen.

Ich möchte keine Mauern. Ich möchte Licht, Freiheit – Freiraum.

 

Vielleicht hat der Brexit da auch eine gute Seite:

Dass wir wieder wacher werden, schauen, hören, worum es geht. Europa ist doch mehr als Geld aufzuteilen. Mehr als Normen. Es ist ein Lebensgefühl, das ich nicht hergeben möchte.

 

Je länger ich mir Zeit nehme, umso mehr denke ich, dass mir der Epheserbrief gefällt.
Führt Euer Leben wie Menschen, die zum Licht gehören.

Denn das Licht bringt als Ertrag lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.

 

Dem Schreiber des Briefes geht es darum, dass wir eine Haltung  zum Leben einnehmen.

Mich nicht zurücklehnen, mich auf meinem Sofa der scheinbar richtigen Seite zuordnen, die Welt mit drei Sätzen erklären und zufrieden lächeln

Ich glaube, der Epheserbrief meint: Es kommt darauf an, dass ich mich selbst auf das Leben einlasse. In seiner vollen Breite und Vielfalt. Dass ich teilnehme.

Es lichte. Es salze. Mitarbeite an einem Miteinander.

Dass ich mitgestalten will, wo ich lebe. In meiner Stadt. An meinem Arbeitsplatz.

In meinem Verein. Meiner Kirchengemeinde.

 

Denn das Licht bringt als Ertrag lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.

Güte,  Gerechtigkeit  und Wahrheit – diese Stichworte unseres Predigttextes,
sind Punkte, an denen sich unser Miteinander messen lässt.

 

Gütig miteinander umzugehen, fünfe einmal gerade sein lassen, wenn man merkt, dass es knirscht. Und zugleich, hinzuschauen, ob etwas wirklich gerecht ist.

Und an der eignen Wahrheit arbeiten, verstehen, lernen dass es ganz unterschiedliche Sichtweisen auf ein und dieselbe Sache geben kann, je nachdem von wo man schaut.

 

Jesus sagt in der Bergpredigt: Lebt als Licht und Salz der Gesellschaft.

Salz sein könnte heißen, sich nicht damit abzufinden, dass Kollegen einander auf der Arbeit ausstechen und das Leben schwer machen. Unangenehmes ansprechen.

Salz in eine Wunde streuen und es brennen lassen. Damit man sich damit auseinander setzt.

Licht sein könnte heißen, der pflegenden Nachbarin zu zeigen, dass man ihre Mühe und ihre Leiden wahrnimmt. Sagen: Ich habe hohen Respekt vor dem, was Du das tust. 

Oder: Darf ich dich mal 2 Stunden ablösen?

 

Licht ins Leben bringen, wo andere wegschauen.

Salzig – mit Kontur –statt geschmacklos durchs Leben gehen.

Ich finde es wichtig, dass Christen in unserer pluralen Gesellschaft nicht ängstlich unter sich in ihren Räumen bleiben, sondern, dass sie sich  in die Gesellschaft einbringen.

Vor Ort.  In ihrer Stadt. In ihrem Dorf. Dass man den eigenen Kirchturm verlässt und mit anderen zusammen arbeitet, um gemeinsam das Leben vor Ort mitzugestalten und mitzuprägen. „Der Stadt Bestes zu suchen“

 

Da sind wir mit vertrauten Partnern unterwegs, aber es gibt auch Gruppen und Vereine, die uns noch zu wenig bekannt sind.

Bei uns in Walldorf intensivierte sich der Kontakt zu den Moscheegemeinden, weil wir uns zusammen für die gleiche Sache engagierten. Das war und ist nicht unumstritten.

Aufhören? Bedenken ignorieren?

Nein, wir sind ins Gespräch gekommen, haben gesagt, wir können uns nur miteinander in der Flüchtlingsarbeit engagieren, wenn wir die Voraussetzungen klären.

Was bedeutet Islam für Euch? Wie erlebt und bewertet ihr den Terror?

Und dabei wurde uns als Christen klar, dass wir uns auch uns selbst
fragen lassen müssen:

Was bedeutet uns  der Glaube? Wie leben wir ihn, wie geben wir ihn an die nächste Generation weiter? Miteinander- statt übereinander zu reden

 

Nach den Anschlägen von Paris kam der Iman hierher zu uns in die Kirche und hat sich zu Beginn des Gottesdienstes klar von den Terroranschlägen distanziert.

Wir wollen in Frieden leben. Wir sind Nachbarn. Wir verurteilen solche Anschläge.

Auf Türkisch, weil er sich in seiner Muttersprache sicherer fühlte.

Das haben viele bedauert. Aber auch hier gilt: Ein Schritt nach dem anderen und die Haltung wahrnehmen. Einander respektieren.

 

Der Austausch wird weitergehen. Und wir werden uns dabei den Inhalten unseres eigenen Christseins neu bewusst. Können klarer davon reden, was uns wichtig ist:

Zum Beispiel: Dass wir Grenzen und Ängste zwischen Menschen abbauen wollen

Dass wir „salziger“ reden, indem wir Ungerechtigkeiten klar benennen.
Dass wir salziger handeln, uns am  konkreten Engagement messen lassen müssen.

Wir lassen uns nicht ins Bockshorn jagen von den politischen Angstmachern.
Wir werden nicht müde, die Sehnsucht nach dem Licht wach zu halten.
Mehr noch: Wir wagen, es in die Welt zu tragen.

Amen

DLF-Gottesdienste