Gottesdienst
„Von Gott geliebt“
Alt-Katholischer Rundfunkgottesdienst aus St. Willibrord in München
08.01.2017 09:05
Predigt

Als kleiner Bub, noch keine 10 Jahre alt, steh ich auf kleinen Skiern, eingepackt in Skihose, Anorak, Mütze und Handschuhe oben am Hang. Der Hang kommt mir plötzlich unwahrscheinlich steil vor. Und Buckel sind da drin! O je! Da komm ich nie und nimmer runter. Ich schau mir den Hang genau an. Wo könnte es gehen? Eigentlich nirgends, oben ist es glatt und harschig, dann kommen die bedrohlichen Buckel und das Ganze kommt mir fast so steil und senkrecht vor wie eine Wand. Außerdem zieht der Nebel vom Tal rauf, bedrohlich, dunkel. Verzweiflung macht sich in mir breit. Meine Augen werden feucht, Tränen kullern über mein Gesicht. Mein großer Bruder ist längst unten und lacht. Wie gemein der ist! Und wo ist der Papa? Ich seh ihn nicht, vorhin im Skilift war er noch da. Wenn der jetzt auch schon unten ist, dann gibt es niemanden, der mir hilft. Es dauert eine Zeit, bis ich merke, dass sich eine Hand auf meine Schulter gelegt hat und rechts und links von meinen kleinen Skiern jeweils ein großer Ski zu sehen ist. Papa! Gott sei Dank! Ich bin nicht allein. Und dann fahren wir los, langsam, Pflugbogen für Pflugbogen, der Papa immer ganz dicht hinter mir. So ungefähr in der Mitte des Hangs ist mein Mut wieder da. Ganz unbewusst löse ich mich vom Vater und fahr die zweite Hälfte des Hanges selbstständig hinunter. Unten angekommen bin ich nicht nur froh, dass ich noch lebe, sondern mächtig stolz, dass ich das geschafft hab. Und der Papa sagt: „Das hast du toll gemacht. Du kannst das doch.“

 

Liebe Gemeinde, liebe Hörerinnen und Hörer, ich erzähl Ihnen das, weil diese Erfahrung tatsächlich etwas widerspiegelt, was im Evangelium von der Taufe Jesu angesprochen ist. Wir wissen, was diesem Jesus von Nazareth bevorsteht, wir wissen, wie sein verhältnismäßig kurzes Leben verlaufen wird. Und er wird seinen Weg gehen bis hinauf nach Golgota, bis zum Tod am Kreuz.

 

Alle vier Evangelien berichten von dieser Taufe Jesu im Jordan und von der Stimme des Vaters: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.“ Jesus von Nazareth weiß den hinter sich, den er seinen Vater nennt. Das gibt ihm Sicherheit, nahezu grenzenlose Sicherheit. Aus dieser Sicherheit heraus kann er seinen Weg gehen, bis hin zum bitteren Ende. Ganz am Ende, am Kreuz, in den letzten Minuten seines irdischen Lebens, scheint er diese Sicherheit des Vaters, der hinter ihm steht, zu verlieren: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Die Antwort des Vaters darauf heißt: Ostern, heißt Auferstehung. Gott verlässt ihn nicht. Als Mensch muss er den Tod der Menschen sterben, und das fühlt sich einsam an, gottverlassen. Doch Gott ist da. Der Tod ist nicht das letzte Wort.

Ich liebe dieses Evangelium von der Taufe Jesu. Wie kaum eine andere Stelle im Neuen Testament verbindet es die Erfahrung menschlicher Psyche – in ihrer Größe und in ihrer Abgründigkeit – mit dem, was die Theologie Offenbarung Gottes nennt.

Der theologische Inhalt allein ist ja durchaus sinnvoll: Jesus wird offenbar als der Sohn Gottes. Aber theologische Inhalte allein haben nichts Lebendiges, es sei denn sie beziehen sich auf unser Leben, auf jetzt und heute. Und genau das ist bei den Berichten von der Taufe Jesu der Fall. Jeder Mensch braucht die Zusage, die Jesus hier erhält: Du bist mein geliebter Sohn / meine geliebte Tochter – oder einfach: Du bist geliebt.

Das Fest der Taufe Jesu ist wichtig, um das Kirchenjahr zu verstehen. Alles was jetzt kommt und gefeiert wird, bis Ostern, bis Pfingsten und darüber hinaus, wird sozusagen „legitimiert“ durch Gott selbst, der hinter Jesus von Nazareth steht, seinem geliebten Sohn, an dem er Gefallen gefunden hat. Das Ganze wäre aber sinnlos und hätte mit uns und der Welt nichts zu tun, stünde Gott nicht auch hinter jedem Menschen, ja hinter seiner ganzen Schöpfung, an der er Gefallen hat.

Gott steht zu Jesus von Nazaret als seinem geliebten Sohn. Genauso steht er zu seiner ganzen Schöpfung, die er gemacht hat und für gut befunden hat. Er steht auch zu dir und mir und zu dieser Welt mit ihrem Wohl und Wehe.

Unser Leben und diese Welt und schließlich wir selbst gehen nicht verloren, selbst wenn es ganz schlimm und finster kommt, selbst wenn wir uns gottverlassen fühlen, wie Jesus am Kreuz.

Die Erfahrung liebender Eltern, die hinter uns stehen und uns sicher durch gefährliche Abgründe geleiten, ist die Kraft, die uns hilft unser Leben zu meistern. Nun – unsere Eltern waren sicher alle nicht perfekt, so wie auch Eltern heute nicht perfekt sind. Wir sind nun mal Menschen und machen Fehler. Aber wir machen nicht nur Fehler, wir stärken auch andere.

Und selbst, wenn uns die Erfahrung irdischer Eltern, die hinter uns stehen, fehlen sollte: Einer sagt auch zu dir und mir, zu uns ganz persönlich, und zu jedem seiner Geschöpfe:

„Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter! An dir habe ich Gefallen gefunden.“

Amen.

DLF-Gottesdienste