Sendung zum Nachlesen
Was für ein schöner Morgen! Die Sonne kommt durch die Morgennebel und wirft Schatten auf die noch feuchte Wiese. Tausende Tautropfen glitzern und die Vögel begrüßen das Tageslicht mit ihrem Gesang. Betörend schön und wunderbar lebendig. Jeden Morgen habe ich dieses Schauspiel beim Blick aus unserem Küchenfenster. Keine tolle Aussicht. Nur ein Feld und dahinter ein Wald, ein kleiner Hügel und die Nachbarhäuser. Doch jeden Morgen bleibe ich kurz sitzen, schaue und entdecke. Genieße und sage "Danke lieber Gott für diesen Morgen". Die Sonne scheint in mein Gesicht und ich fühle mich gestreichelt. Wärme, Licht, Liebe, für mich ist Gott in diesen Momenten ganz nah und wenn ich etwas auf dem Herzen habe, sage ich es auch laut. "Wird nicht leicht, lieber Gott, heute" oder "Jetzt hab dich nicht so, Christoph. Jammer nicht rum, sondern pack’s an!". Und ich spüre seine Antwort in mir: "Genau! Los! Ich bin schon bei dir!"
Erst mit den Jahren bin ich auf diese morgendlichen Auszeiten gekommen. Früher habe ich mich da lieber mit lauter Radiomusik umgeben, habe Zeitung gelesen oder überhaupt nicht gescheit gefrühstückt. Ein Kaffee im Stehen, und dann raus. Ist ja so viel heute und ich schaffe es sonst nicht. Diese Unruhe am Morgen hat sich dann übertragen in den Tag. War ich am Morgen schon losgelaufen, war der ganze Tag ein Hetzen und Rennen. Abends war ich dann zerschlagen und fertig. Habe mich vor den Fernseher geknallt und mich mit einem Bier oder Wein runtergefahren. Und bin spät ins Bett gegangen. Zu viel war da noch an Unruhe und Bewegung.
Irgendwann war das dann vorbei. Je mehr ich arbeitete, desto mehr blieb liegen. Aus einzelnen Flüchen wurde ständig schlechte Laune, egal, ob etwas gelang oder nicht. Und die Zerschlagenheit am Abend war so groß, dass ich morgens nur schwer aus dem Bett kam. Als mein Arzt dann meinte, mein Blutdruck sei viel zu hoch und mir damit auch meine häufigen Ohrgeräusche erklärte, war die Zeit zum Handeln gekommen. EKG, 24-Stunden-Blutdruckmessung, Laborwerte untersuchen. Heraus kam, dass ich mich überlastet hatte. Dass mein Blutdruck, der sich oft erst früh morgens wieder senkte, Medikamente bräuchte. Und ich mehr Ruhe und Gelassenheit. Auch um zu überleben.
So sitze ich heute wie immer öfter am Morgen da und betrachte das Schauspiel der Natur. Jahrelang konnte ich das nicht sehen. Weil ich kein Auge und kein Ohr dafür hatte. Und auch das Gespräch mit Gott war verstummt. Ich war ja selbst viel zu laut…
Das ist jetzt anders. Danke Gott! Sage ich dann. Für diesen Tag, die Menschen, die ich um mich hab. Für das, was ich heute tun kann. Für das was gelingt und das, wo ich heute scheitern werde. Was ich heute Abend wieder in deine Hände lege, Gott. Vielleicht sollte ich ein paar Aufgaben auch jemand anderem übergeben. Vielleicht kann er oder sie das besser als ich.
Wald und Wiese sind jeden Tag da, vor meinem Fenster. Sie verändern sich nur langsam und mit jedem Blick lässt sich Schönes entdecken. Heute sind es die ersten, noch schrägen Sonnenstrahlen. Und der Morgentau glitzert im Licht. Den Unterschied macht, ob ich das wahrnehme. Mir die Zeit nehme, daraus Kraft zu schöpfen und im Hören und Reden und Nachdenken mit Gott das genauer sehe, was wir schaffen und wofür wir da sind. Jeden Tag neu. Die Verantwortung dafür trägt jeder und jede für sich selbst. Das hat mir schon der Arzt klargemacht. Für mich war das eine schmerzhafte Erkenntnis, ich dachte, ich könne den Erfolg herbeiarbeiten. Müsse nur genug tun, dass ich alles bewältige, was ich mir vorgenommen habe. Blödsinn! Jetzt bin ich am besten, wenn ich mir morgens die Zeit genommen habe, einen Moment ruhig zu sein. Wenn ich mich eingestellt habe auf das, was kommt. Und nicht hineinschlittere. Wenn ich zurückblicke auf Begegnungen und Menschen, die mir gut getan haben. Und Vertrauen fasse, dass ich auch heute reich beschenkt werde. Danke Gott!
Es gilt das gesprochene Wort.