Wort zum Tage
Der Finsternis Licht abtrotzen
26.03.2018 06:20
Sendung zum Nachlesen

Anfang Februar: Im Prozess gegen den „Nationalsozialistischen Untergrund“ hat Yvonne Boulgarides das Wort. Ihr Mann, Theodoros Boulgarides, wurde im Juni 2005 mit drei Schüssen in den Kopf ermordet. Nach dem Willen seiner Mörder gehörte er als Grieche nicht in dieses Land, genauso wenig wie die 9 anderen Männer türkischer Abstammung, die sie heimtückisch getötet haben. Er hätte seine Mädchen gerne zum Traualtar geführt, seine Enkeltochter mit Großvaterstolz in den Armen gehalten, erzählt sie dem Gericht. Doch diese tiefe Trauer ist nicht die dunkelste Stelle im Leben dieser Frau. Ihrem Mann wurde während der Ermittlungen Menschenhandel angedichtet, Drogengeschäfte. Das völlig unschuldige Opfer sollte also ein Täter sein. Und nun im zu Ende gehenden Prozess offenbart sich die dritte tiefe Erschütterung. Akten vom Verfassungsschutz sind verschwunden und niemand wird zur Rechenschaft gezogen. Sie sei entsetzt über diesen Staat, sagt sie. Denn dieser Prozess sei wie ein oberflächlicher Hausputz. „Um der Gründlichkeit genüge zu tun, hätte man die Teppiche aufheben müssen, unter die so vieles gekehrt wurde“. (1)

 

Für solche Erfahrungen hat die Passionsgeschichte Jesu eine Sprache gefunden. „Der Gerechte muss leiden“ heißt so ein Satz. Und ein anderer: „Dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.“ Jesus sagt das zu denen, die ihn gefangen nehmen. Die Macht der Finsternis – ein Bild für die tiefste Erschütterung, der ein Mensch ausgesetzt sein kann. Es ist der Moment, wo ein Mensch sich ausgeliefert fühlt an eine Macht, die alles ins Gegenteil verkehrt, das Gute böse erscheinen lässt und das Böse gut.

 

Yvonne Boulgarides aber erzählt auch von der Begegnung mit dem Mann, der den Tätern die Mordwaffe beschafft hat. Carsten S., der damals 20 Jahre alt war und überzeugt rechtsradikal.

Es sei der schwierigste und emotionalste Moment in ihrem Leben gewesen. Doch hätte sie einen Menschen erlebt, der heute bereut, was er getan hat. Er habe ein Gewissen. Er habe ein Unrechtsbewusstsein. Und so kommt es, dass Frau Boulgarides vor dem Gericht zur Fürsprecherin des Mannes wird, der mitgeholfen hat, dass ihr Mann getötet wurde. Sie sagt: „Wir wünschen uns, dass ihm sein Strafmaß die Möglichkeit gibt, sein Leben in positive Bahnen zu lenken.“ (2).

 

Der Finsternis können wir Menschen Werke des Lichts abtrotzen. Wir können den Mächten des Bösen Gutes entgegenhalten. Und so ein Stück von Gott in uns und in dieser Welt retten.

 

Literaturhinweise:

  1. Süddeutsche Zeitung, Nr.33, 8.2.2018, S.5, Artikel „Menschliche Größe“ von A. Ramelsberger, W. Ramm.
  2. SZ Nr. 33, a.a.O.