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Ungewöhnlich viele Menschen sind mitten unter der Woche an einem Donnerstagnachmittag am Königsplatz in München versammelt. Von allen Seiten, aus U-Bahn und Bussen kommen noch mehr dazu. Die meisten tragen ein Schild mit Foto, Namen und Lebensdaten einer Person, die einmal hier in München gelebt hat. Und dann von der Bildfläche und aus dem Gedächtnis der Stadt verschwinden musste zur Zeit des Nationalsozialismus.
Kinder, Frauen, Männer. Akademikerinnen und Handwerker. Jüdinnen und Juden. Sinti und Roma. Menschen mit Behinderung, psychisch Erkrankte. Homosexuelle. Abgeordnete des Bayerischen Landtags, Kommunisten. Sie sind in Bussen verschickt, in Zügen verschwunden. Und dann in Konzentrationslagern ermordet. Durch Genickschuss hingerichtet. Verhungert. In sogenannten Heilanstalten als unwertes Leben ausgelöscht.
Emmi Lesser, Fanny Baer, Johanna Höllenreiner, Alois Dallmayr… Ich sehe in unzählige Gesichter, ich lese viele Biografien. Erfahre von Orten der Grausamkeit, die ich bislang nicht gekannt habe. Viele Münchenerinnen und Münchener sind nach Piaski in Polen gekommen, ein Ghetto, um dann weiter nach Sobibor oder Belzec transportiert zu werden.
Tausend Schilder, tausend Namen, tausend Schicksale auf dem Münchner Königsplatz, den einst die Nazis okkupiert haben für ihre Machtdemonstrationen. Die größten Fackelzüge in München haben hier begonnen, und auf dem anderen großen Platz, dem Odeonsplatz geendet. Jetzt gehen wir auf diesem Weg und bringen die Vergessenen in die Stadt zurück.
„Die Rückkehr der Namen“ – dazu hat der Bayerische Rundfunk und die Stadt München eingeladen. Und viele beteiligen sich. Ja, wir bringen die Menschen zurück und fügen diesen beiden Plätzen und der dicht befahrenen Straße mit unseren Füßen und unserer Präsenz eine neue Geschichte hinzu. Die Steine werden schreien, wenn die Menschen vergessen, heißt es in der Bibel. Auf diesem Pflaster soll nicht mehr marschiert werden, vor diesen Mauern soll nicht mehr menschenverachtendes Gebrüll erschallen.
„Wenn wir die Liebe nicht haben, geben wir die Gottheit in uns auf. Wenn wir hassen, verlieren wir. Wenn wir lieben, werden wir reich.“ Das sagt am Ende eine Schülerin vom Podium. Es ist ein Zitat von Philomena Franz - eine der Wenigen, die Auschwitz als Sintiza überlebt hat.
Es gilt das gesprochene Wort.