Um den Jakobsweg zu gehen, muss man nicht erst nach Spanien reisen. Wanderrouten nach Santiago de Compostela gibt es in ganz Europa. Auch gleich vor der Haustür, zum Beispiel im südlichen Brandenburg.
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Neben der kleinen Pforte der alten Kirche findet sich eine Jakobsmuschel im Sandstein des Türrahmens. Die Restauratorin hat sie hervorgehoben und mit Blau hinterlegt. So schmückt sie die Jakobikirche in Ortrand schon seit vielen Jahrhunderten. Hier geht der Jakobsweg lang, ein alter Pilgerweg, auf dem die Menschen durch Europa gewandert sind. Heute laufen wieder Menschen durch unsere Kleinstadt im südlichen Brandenburg. Sie pilgern von Ost nach West, folgen den uralten Wegen und ihrer Sehnsucht, auf dem Weg sich selbst und Gott nahe zu kommen.
Neben der Pforte steht eine steinerne Bank im Schatten unter einer alten Linde. Für einen Moment setze ich mich. Um die Kirche herum ist der Friedhof. Wie viele Menschen hier wohl schon gesessen haben? Manche, die auf ihrem Pilgerweg Rast gemacht haben, andere, die hier mit ihren Erinnerungen an die Verstorbenen saßen.
Für mich gehören sie zusammen: die Jakobsmuschel und der Friedhof. Der Dichter Gerhard Tersteegen hat das so ausgedrückt: "Ein Tag, der sagt dem andern, mein Leben sei ein Wandern zur großen Ewigkeit. O Ewigkeit, so schöne, mein Herz an dich gewöhne; mein Heim ist nicht von dieser Zeit."
So kann ich mein Leben verstehen: als Pilgerweg zu Gott. Es ist schön und vielfältig, was mir auf dem Weg begegnet. Da lohnt sich das Innehalten und Ankommen. Und dann geht es wieder weiter. Der nächste Abschnitt wartet, mit neuen Lebenslandschaften, neuen Menschen, neuen Erfahrungen, mit schweren und leichten Wegabschnitten.
Manchmal geht es aufwärts und die Aussicht beschenkt mich. Manchmal geht es abwärts und ich erlebe finstere Enge. So wie der Jakobsweg sein Ziel am Atlantik hat, ist auch mein Lebensweg nicht unendlich. Ich glaube: Das Ziel ist die Ewigkeit, das Sein bei Gott. In jenen besonderen Momenten, wenn der Himmel sich herabbeugt und die Seele berührt, ist das ein kleiner Vorgeschmack auf die Lebensfülle, die uns erwartet.
Auf der Bank unter der Linde auf dem Friedhof der Jakobikirche atme ich tief ein und seufze. Von hier aus sehe ich auf eines der alten Gräber. Da steht in verwitterten Buchstaben ein Psalmenzitat: "Der Herr behüte deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit!" Ein Pilgersegen. "Gott behüte dein Weggehen und Ankommen, an jedem Tag in Zeit und Ewigkeit."
Ich glaube: Mein Leben ist eine Wanderschaft, auf der Gott im Hier und Jetzt mitgeht und mich dann im Dort und Immer mit neuer Lebendigkeit erwartet.
Es gilt das gesprochene Wort.
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