Sendung zum Nachlesen
Es ist der Raum zwischen zwei Tönen. Die kleine Pause am Ende des Ausatmens. Der vor Hunger knurrende Magen. Ein unbeschriebenes Blatt Papier. Leere mit Doppel-e. Angenehm bisweilen, verheißungsvoll. Da kommt noch was, da wird eine Melodie entstehen. Da wird eine Geschichte aufgeschrieben werden und eine warme Suppe Wohlbehagen bereiten. Es ist alles offen und vieles möglich. Leere mit Doppel-e.
Der Karsamstag bringt eine andere Leere ins Spiel. Die Leere am Tag nach der Beerdigung. Die Erde dreht sich weiter, doch ohne diesen einen Menschen. Nichts ist mehr, wie es einmal war. Seine Stimme klingt noch im Ohr. Sein Gesicht erscheint noch vor dem inneren Auge. Doch es sind Eindrücke von früher. Vergangenheit. Etwas, das niemals wiederkehrt. Man geht schlafen am Abend und möchte am Morgen aufwachen und glauben: Ach, alles wieder gut. Es war nur ein böser Traum. Und dann macht man die Augen auf und erkennt: der Alptraum ist meine Realität. Mein Mann ist nicht mehr da. Karsamstag ist dieser Tag der Leere mit Doppel-e, die schwer lastet, aufs Herz drückt wie ein schwerer Stein. Er steht da im Kalender für die Erfahrung, dass ein Mensch fehlt. Dass ein Trost fehlt. Ein Sinn zum Weiterleben. Dass Gott fehlt. Nichtvorhanden ist. Abgetaucht, unerreichbar.
Man kann versuchen, ihn herbeizurufen mit den alten Gebeten. Man kann „sich erinnern an Christus,…und da, auf der alten Liebe einschlafen, mit gefalteten und vertrauenden Händen“ (Aus: Jörg Zink, Gotteswahrnehmung. Wege religiöser Erfahrung, Gütersloher Verlagshaus, 2.Aufl. 2010, S. 125). So hat es die Mystikerin Marie Noël aufgeschrieben. Meine Erfahrung ist: an dieser Schwelle verstummt man eher, als dass die Gebete einfach so über die Lippen gehen. An dieser Schwelle muss man sich eher dem Engel anvertrauen, der sagt: es kommt etwas Neues! Was suchst du den Lebenden bei den Toten? Der Stein ist weggewälzt. Und das Grab ist leer.
Engel sind Geburtshelfer eines neuen Gottesbewusstseins. Sie trösten und helfen, sich dem Unbekannten, Unbegreiflichen in die Arme zu werfen. Und die Ambivalenz der Leere auszuhalten. Etwas ist unwiederbringlich vorbei und das Neue noch nicht in Sicht. Ich werde eine andere, ein anderes Leben führen von da an. Und Gott selbst muss hier neue Namen bekommen und anders angerufen werden, als ich es bisher getan habe.